Vielfältige Varianten der Verkehrstelematik

■ Wechselwegweiser, Verkehrsmanagement, Leitsysteme und Road Pricing sollen für Dauerverkehrsfluß sorgen. Doch alle Konzepte haben Schwachpunkte

Berlin (taz) – Vor wenigen Jahren waren Verkehrsleitsysteme nur wenigen ein Begriff. Inzwischen konkurrieren unterschiedliche Systeme um Umsetzung. Vier Varianten werden hier vorgestellt:

1. Wechselwegweisung: Bereits ein knappes Zehntel aller bundesdeutschen Autobahnen sind mit elektronischen Wechselwegweisern ausgestattet. Mit ihrer Hilfe können je nach Verkehrsaufkommen die Geschwindigkeitsvorgaben oder auch die Fahrspurzuweisungen verändert werden. Mit diesem kollektiven Verkehrsleitinstrument soll der Fahrfluß bei dichtem Verkehr verbessert werden. Doch da endet die Steuerungsleistung auch schon. Unfallbedingte Staus oder die Überfüllung von Straßen lassen sich so nicht verhindern.

2. Kooperatives Verkehrsmanagement: Grundidee des Kooperativen Verkehrsmanagements (KV) ist die Integration aller Verkehrsträger. Typische Elemente der mittlerweile abgeschlossenen regionalen KV-Versuche waren neben einem automobilbezogenen Leitsystem vor allem dynamische Park+Ride-Informationen, Informationen über Anschlüsse von Bussen und Bahnen, Reiseinformationen und Notrufsysteme.

Diese von Autoherstellern und Gebietskörperschaften in public private partnership durchgeführten Pilotprojekte haben zwar die Machbarkeit der technischen Integration gezeigt, eine Fortführung gab es nirgends. Vor allem die beteiligten Kommunen verloren angesichts nur geringer Entlastung ihr Interesse und entzogen sich der Fortsetzung mit Hinweis auf die eigenen Haushaltsprobleme. Kritiker wenden ein, daß der ÖPNV in KV-Projekten lediglich eine „Überlauffunktion“ erfüllt, das heißt erst dann greift, wenn trotz Optimierung die Kapazitäten der Straßen ausgeschöpft sind.

3. Individuelle Leitsysteme: Noch findet man die individuellen Informations- und Leitsysteme mit den Produktnamen Autopilot oder CARIN erst in den Oberklassenfahrzeugen, dort aber schon serienmäßig. Es dürfte aber nur eine Frage von wenigen Jahren sein, bis dieses neueste automobile Extra auch die unteren Fahrzeugklassen erreicht. Bereits jetzt kann man diese Systeme schon für weniger als 3.000 Mark nachrüsten.

Künftig werden nicht nur die verfügbaren Verkehrsdaten dank des Einsatzes von Mobilfunk und Satellitenortung aktueller sein, auch die Sprachausgabe und die Displayoberfläche werden professioneller. Verkehrspolitisch sind die individuellen Leitsysteme zwiespältig. Zwar können vor allem Ortsunkundige dank ihrer exakten Routenplanung unnötige Wege sparen. Doch dann wird das gesamte Straßennetz zusätzlich belastet, weil die Ausweichempfehlungen über Seitenstraßen führen. Der mühsam aus Wohngebieten gedrängte Durchgangsverkehr kann so durch elektronische Routenempfehlungen wieder hereinkommen.

4. Road Pricing: Technisch ist das elektronische Abbuchen von Straßenbenutzungsgebühren mit Hilfe von Telematik zuverlässig möglich. Das hat 1994 auch der Praxistest auf der Autobahn Köln–Bonn gezeigt, auf der dafür acht Querträger mit Impulsgebern und Überwachungskameras installiert wurden. In einem einjährigen Dauertest wurden 20 Autos eingesetzt, ausgestattet mit Abbuchungsgeräten verschiedener Hersteller, mit denen der TÜV alle nur erdenklichen Fahrsituationen und ihre Auswirkungen auf die eingesetzten Techniken erfaßt hat. Probleme gibt es jedoch noch bei der Datensicherheit und bei der Akzeptanz von elektronischer Maut.

Road Pricing scheint trotz des Drucks der deutschen Anbieter, die ihre technologische Spitzenposition verteidigen möchten, politisch in der Bundesrepublik nicht durchsetzbar. Zu sehr beeindruckt das von Autoindustrie und Autoclubs gemalte Bild von der „Melkkuh der Nation“ die politischen Entscheidungsträger. W.C.