Kohl bleibt stur, die CSU wird kirre

■ Nach des Kanzlers Machtwort sind die Christsozialen auf dem ungeordneten Rückzug. Fraktionschef Glück will von Kabinettsumbildung nichts mehr wissen, Generalsekretär Protzner mag die Forderung noch nicht aufgeben

München/Bonn (taz) – „Bloß raus aus den Schlagzeilen, bloß nichts Verbindliches mehr sagen“ lautet jetzt das Motto bei der CSU, nachdem der Kanzler Parteichef Theo Waigel mit seiner Forderung nach einer Kabinettsumbildung hat abblitzen lassen. Sogar der genaue Zeitpunkt des für diese Woche vorgesehenen Spitzengesprächs der beiden Parteivorsitzenden und bisherigen Freunde wird verschwiegen. Aber so ganz gelang die Sprachregelung nicht. So wollte der Chef der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, Alois Glück, die Forderung nach einer Änderung des Bundeskabinetts gestern nicht mehr hören und schon gar nicht selbst stellen. Glück ließ schlicht erklären, eine Kabinettsumbildung sei „eine Sache des Trainers“. Im Klartext hieß das: Theo Waigel solle sich dem Machtwort des Kanzlers beugen.

Andere CSU-Politiker aber blieben beim Wunsch nach neuen Pfründen. So müsse die CSU ein anderes Ministerium erhalten, wenn das Postministerium unter Wolfgang Bötsch (CSU) wie geplant Ende 1997 aufgelöst wird, forderte der stellvertretende Parteivorsitzende Ingo Friedrich. Auch der Chef der bayerischen Jungen Union und Landtagsabgeordnete Markus Söder will neue Leute am Regierungstisch sehen: „Wir müssen 1998 eine glaubwürdige Mannschaft präsentieren – keine Politiker, die zur Jahrtausendwende schon in Rente gehen.“ Waigels Generalsekretär Bernd Protzner ging in den Spagat: „Die Sachfragen, die besprochen werden, haben auch personelle Konsequenzen“, umschrieb er Waigels ursprünglichen Vorstoß. „Wir sehen nichts als entschieden an, die Diskussion ist am Laufen.“

Auch innerhalb der CDU regte sich Widerstand gegen Kohls Maulkorb. Mehrere jüngere CDU-Politiker wie JU-Vorsitzender Klaus Escher, der niedersächsische Oppositionsführer Christian Wulff und der Abgeordnete Friedrich Merz haben sich bei einer Sitzung der CDU-Parteitagskommission unter Leitung des Kanzlers für eine Umbildung des Kabinetts ausgesprochen. Wulff sagte jedoch, offenbar gebe es derzeit aber keinen Spielraum für eine umfassendere Umbildung. Er rechne aber mit weiteren Diskussionen über diese Frage. Die Runde beklagte, daß Theo Waigel die Union in eine schwierige Lage gebracht habe. Merz sagte, auch für Kohl selbst sei die Lage „extrem schwierig“.

Die Bilanz der letzten Tage fällt für die CSU gemischt aus. Söder hofft auf den „Franz-Josef-Strauß-Effekt“, wenn Waigel den Clinch mit Kohl riskiert: „Nichts integriert in der CSU so sehr, wie wenn's gegen die CDU geht“, sagte Söder zur taz. Deshalb würden sich viele hinter den angeschlagenen Parteichef stellen: „Wenn wir jemanden absägen, dann machen wir das schon selber. Das lassen wir nicht von anderen machen.“

Derjenige, der schon alles gesagt hatte, sagte gestern doch noch etwas: „Ich habe überhaupt nicht die Absicht, noch zu dieser Diskussion etwas zu sagen“, formulierte Kohl. Ähnlich hatte das vor ihm übrigens bereits Dialektiker Gerhard Polt formuliert: „Wissen's, was ich Ihnen sag'? Ich? Ich sag' jetzt überhaupt nichts mehr.“ Ein Satz aus dem Jahr 1987, zeitlos schön. Der einzige, der ihn zur Zeit befolgt, ist Edmund Stoiber. Er urlaubt in Spanien – und schweigt. Felix Berth