Besser als Tiffy

■ Wieder kein Boy! Dafür ist die neue "Bravo-TV"- Moderatorin Lori Stern ein fröhlicher Mensch

Wie sich das anfühlt als „Bravo- TV“-Moderatorin, mädchenfleischgewordener Link zwischen einigen wenigen Heißbegehrten und Zehntausenden von Sehnsuchtsvollen zu sein, wird man wohl nie erfahren. Es muß doch beispielsweise enervierend sein, wenn vor einem die „Girls“ in Tränen ausbrechen und backstage, in der Umkleidekabine, sich pickelige Schnösel ungeniert in der Nase bohren. Schließlich erkennt die Expertin schon am gemeinen Bravo-Poster, daß trotz Schmusepose die dort gezeigten Protagonisten selten vielversprechend sind. Aber draußen vor den Bildschirmen sieht das ganz anders aus.

„Bravo-TV“ ist die perfekte Wunschfabrik und somit anekdotenfreie Zone. Die Produktion muß laufen: Hier die Stars, dort die Fans und dazwischen die Freundin-Schwester-Vorbild-Moderatorin. Persönlichkeit ja, aber nur wenn die Grenze zum Profil nicht überschritten wird. Darüber zu lamentieren, wäre dennoch sinnlos, denn es ist doch klar, was man sich ins Haus holt, wenn man sonntags um zehn nach zwei auf RTL2 schaltet: Die Traumboys und heile Kelly- oder Hanson-Familienwelt der 12- bis 16jährigen, auf jeden Fall interessanter als Samson und Tiffy. Ab Sonntag übernimmt Lori Stern den Moderatorinnen-Job.

Jasmin Gerat, ehemaliges Bravo-Girl 1994, verläßt ihre Fans, was aber trotz großem Lamento in Form von Zuschauerbriefen bald vergessen sein wird. Dann geht das Selbstgebastelte an die Neue: Lori Stern (22) aus Hamburg ist jungdynamische, multiengagierte, deutsche Poparbeiterin der neueren Art, soviel ist sicher. „Ein selbstbewußter Typ Frau“ soll sie sein, verlautet die Produktionsfirma MME. Ist sie auch, vor allem auf Grund einer unaltersgemäßen Professionalität. Sie ist Tänzerin und Sängerin der Bravo-formatgerechten Band „Sqeezer“. Und jetzt eben auch „Bravo-TV“-Moderatorin. Lori Stern ist sehr fröhlich. Am Telefon lacht sie viel und sagt: „Ich bin ein fröhlicher Mensch.“ Den Job habe sie wegen ihrer „Medienpräsenz“ bekommen: „Ich tanze gern auf 24 Hochzeiten gleichzeitig.“ Ihre Band „Sqeezer“ sei ein reines „Spaßprojekt“: „Ich will doch nicht die Welt verändern.“ Die neue Arbeit sei „eine große Herausforderung“ und ansonsten „bin ich so, wie ich bin, manchmal bin ich ganz verschiedene Loris“, antwortet sie auf die Frage, wie cool es tatsächlich sei, „Bravo“-Moderatorin zu sein, und ob sie sich da nicht manchmal doch ein klitzekleines bißchen verstellen müsse.

Eine unangemessene Frage? Nein, denn eine dieser Loris erzählte der SZ-Jugendbeilage jetzt den Soundtrack ihres Lebens, der sich eher nach großem Bruder-Pop anhört und sich beim besten Willen nicht bei Bravo reinquetschen läßt. Pink Floyd, Janis Joplin, David Bowie oder Tom Waits haben höchstens auf der Compilation Platz, die in der Werbepause angepriesen werden. Um so erstaunlicher, daß auch „Sqeezer“ sich anhört wie Conny Froboess auf LSD.

Lori Stern ist die vierte Moderatorin in vier Jahren: Kristiane Backer war schon als MTV-Moderatorin ein richtiger Popstar und von daher viel zu sophisticated für die Sendung. Heike Makatsch mußte das Girlie-Stigma erdulden und war letztendlich doch zu Besserem geboren. Jasmin Gerat war im Vergleich dazu ziemlich street und demontierte das Vorurteil, daß Teenager-Mädchen verstörte Geschöpfe sind, die vor einem Millionepublikum zwangsläufig erröten. Lori Stern erweitert die Riege auf Girlband-Format. Sie ist auf jeden Fall „die Aktive, Sportliche“ im Bunde. Beim inzwischen jährlichen Wechsel kann man sich jetzt schon fragen, welches Imagesegment als nächstes dran ist und wer dazu paßt. Nur eins ist sicher, ein Boy wird es nicht sein, denn der würde die klar abgesteckten Strukturen von Star, Fan und Vermittlerin durcheinander bringen. Am Ende würden die hauptsächlich weiblichen Zuschauer mehr für den Moderator schwärmen als für die angepriesenen Produkte. Und das geht auf keinen Fall. Heike Blümner