Wachstum für die Hanfwirtschaft

■ Mehr Anbaufläche und moderne Verarbeitungsanlagen

Berlin (taz) – Vor wenigen Jahren hätten sich wohl die meisten bundesdeutschen Landwirte nicht vorstellen können, den als „Kifferpflanze“ verunglimpften Hanf anzubauen. Inzwischen tun es 475 Bauern zwischen Baden-Württemberg und Brandenburg. Und auch die verarbeitende Industrie kommt allmählich in Schwung. Sie ist eines der Hauptthemen beim heutigen NRW-Hanftag in Bad Sassendorf – eine Fachtagung, wie es sie inzwischen zuhauf gibt.

Nachdem die Grundsatzfrage des legalen Anbaus seit dem vergangenen Jahr geklärt ist, wird ganz offiziell THC-armer Hanf kultiviert. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 1.400 Hektar Fläche mit Hanf bepflanzt, dieses Jahr sind es 2.800. Während im vorigen Jahr manchem Landwirt noch die Ernte der robusten Faserpflanze Schwierigkeiten bereitete, entwickelt sich inzwischen eine professionelle Verarbeitungskette. „Es tut sich viel“, weiß Daike Lohmeyer vom nova-Institut, das sich seit längerem mit Hanfverarbeitung befaßt. „Alle, die realistisch an ihre Projekte zur Weiterverarbeitung herangehen, kommen auch voran mit ihren Entwicklungen.“

Ein Beispiel dafür ist auch Bernd Frank, Gesellschafter und Geschäftsführer der Badischen Naturfaseraufbereitung (BaFa) in Malch bei Karlsruhe. Ende vorigen Jahres hat seine Firma die Produktion aufgenommen – und seitdem ständig erweitert. „Vergangenes Jahr hatten wir Landwirte mit insgesamt 120 Hektar Hanfanbaufläche unter Vertrag, dieses Jahr bereits mit 700 Hektar“, sagt Frank stolz. Bei der BaFa werden Hanffasern mechanisch aufgeschlossen. Dabei müssen die Pflanzenbestandteile Fasern und Schäben voneinander getrennt werden. Beides geht anschließend in die Produktion von Dämmstoffen sowie in die Herstellung von Innenverkleidungen für Autotüren.

Textilien werden aus den BaFa- Fasern – noch – nicht hergestellt. Das soll sich nach den Vorstellungen von Bernd Frank ändern. Geplant sei eine Kooperation mit einer nahegelegenen Baumwollspinnerei. Gemeinsam will man eine Anlage für den Dampfaufschluß der Fasern bauen, um spinnfähiges Hanf zu erhalten. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.

Bei Textilfasern haben bis auf weiteres Hersteller aus Ungarn, Rumänien und auch aus China die Nase vorn. Der dortige Technologievorsprung hat eine simple Ursache: Während in weiten Teilen der westlichen Welt jeglicher Hanfanbau rigoros verboten war wegen der „gefährlichen Wirkung“ bestimmter Cannabis-Sorten, wurde in Osteuropa und China durchgehend Hanf als Nutzpflanze verarbeitet. Gudrun Giese