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Hausbesetzer sind in Potsdam unerwünscht

■ Nach einem Polizeieinsatz gegen ein Jugendzentrum drängt die CDU auf die Räumung der letzten elf besetzten Häuser. Landtag soll jetzt Entschließung fassen

Berlin (taz) – In Potsdam eskaliert der Streit um die Räumung besetzter Häuser. Nach heftigen Auseinandersetzungen kündigten Vertreter der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag für heute eine Sondersitzung des Innenausschusses an. Sie fordern eine sofortige Räumung aller besetzten Häuser in Brandenburg.

Kurzen Prozeß mit „den Bunten“ wollte die Behörde offenbar schon am Dienstag machen. Die Potsdamer Polizei nahm 35 Hausbesetzer fest, um sie per Schnellverfahren hinter Gitter zu bringen. Begründung: Sie hätten vor und nach der Räumung eines Jugendzentrums in der brandenburgischen Landeshauptstadt randaliert. Die Ausschreitungen, bei denen ein Bagger und ein Einsatzwagen angezündet wurden, seien von vermummten Polizisten gezielt provoziert worden, erklärten dagegen die Besetzer. Wegen mangelnder Beweise wurden die Festgenommenen wieder laufengelassen. Angefangen hatte der Zoff schon am vergangenen Freitag. Nachbarn des linken Jugendzentrums „Archiv“ in Potsdam beschwerten sich über laute Punk-Musik bei einem Open-air-Konzert. Als die Polizei anrückte, eskalierte die Situation. „Generalstabsmäßig“, so ein Konzertbesucher, habe ein mit Werkzeug ausgerüsteter Trupp Maskierter die Lampen ausgeschaltet, den Asphalt aufgebrochen und eine Baumaschine angesteckt. Die Leute mit den Sturmhauben seien „szeneuntypisch gekleidet“ gewesen und konnten unerkannt über ein benachbartes Schlachthofgelände entkommen, so der Augenzeuge. Daß die Polizei hinter der Aktion steckt, wurde von der Behörde zurückgewiesen.

Das Jugendzentrum in der Leipziger Straße soll nicht wieder geöffnet werden, beschlossen Vertreter von Stadt und Polizei schon zu Beginn dieser Woche. Während der Jugenddezernent Jann Jakobs am Dienstag den Hausbesetzern diese Botschaft überbrachte, stürmten 80 Protestierende das Büro des Dezernenten und warfen seine Aktenordner aus dem Fenster.

Gestern erklärte Jakobs, er wolle das „Konzept des Dialogs mit der Szene fortsetzen“, nun müßten allerdings die Besetzer „ihre Verantwortung gegenüber der öffentlichen Sicherheit definieren und konkret wahrnehmen“.

Ob die Auseinandersetzungen damit beigelegt werden können, ist fraglich. Der CDU im Potsdamer Landtag haben sie – ob provoziert oder nicht – einen willkommenen Vorwand geliefert, gegen die restlichen elf besetzten Häuser der Stadt vorzugehen. „Die Strategie der Deeskalation ist gescheitert“, erklärte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dierk Homeyer, gestern. Da Sach- und Personenschäden „nicht mehr hinnehmbar“ seien, solle der Landtag einer Räumung aller besetzten Häuser zustimmen. Constanze v. Bullion

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