Flagge zeigen

Kommt heute Autonomen-Lars an mein' Kiosk un holt sich seine „Schöner wohnen“, „Bauen und Architektur“, „Domus“, „Ambiente“und noch so'n paar Schickimicki-Glanzpapier-Illus, wo das um kulteviertes Wohn' geht. Seit er in seine betreute Schrotti-WG haust, hat er nämlich diesen Zwang, sich sowas reinzuziehn. Also wie der Prälat Dr. Dumph, der sich bei mir immer de Hardkaffers holt, wo ein' normaln Sterblichen schlecht von wird, wenn er sie anguckt. Aber wenn man Tag und Nacht bloß Kruzifixe ansehn muß, ist man wohl auf sonne Sachen fixiert. Sagt jedenfalls Lars: „Du, an' Lindenpark“, der ist inne Nähe vonne Christuskirche, „da läuft wohl wieder sonne Kunst-Äktschn.“„Wie kommst du denn da auf?“frag ich. „Na, weil auf jeden Hundebolzen: steckte ein Stöckchen mitten Zettel an. Und auffen Zettel war wieder ein Kackhaufen auf abgebildet, und da über stand denn auch noch KACKE.“„Das ist für Kinder und alte Leute gedacht“, sag ich, „weil man die ja alles dreimal erklärn muß. Kann aber auch sein, daß sich das an Ausländer richtet.“„Was meinst du denn damit?“„Na, daß die unse Sprache lern'! Inne Lehrbücher ist das doch genauso, neben jeden Gegenstand steht ein Wort, das ein' sagt, was das ist.“„Aber ich hab' über hundert beflaggte Kackhaufen gezählt.“„Je häufiger man ein' Begriff wiederholt, desto leichter behält man ihn.“„Aber“, holt Lars tief Luft, „finnste denn, daß KAKKE so ein wichtiges Wort ist, daß man das so oft wiederholen muß?“„Klar“, sag ich, „kannst ja de ausländische Mitbürger fragen, was das Wort ist, was se an häufigsten benutzen, wenn se über ihr Leben in Deutschland erzähln!“„Was mich allerdings nachdenklich gemacht hat“, meint Lars, „daß das Kinder warn, die da diese Flaggen inne Kötel gesteckt habn, und daß de Kindergartentanten dabei standen und kein Wort gesagt habn.“„Besser, de Lütten schmücken de Hundehaufen, als daß se sich mit gebrauchte Einwegspritzen beschmeißen, die überall inne Sandkisten rumliegen. Und wenn das wirklich ne Kunst-Äktschn ist, die sich vielleicht wieder Herr Christo ausgedacht hat, denn gibt das de Hamburger Bevölkerung genau so ein' Denkanstoß, wie ihn damals de Berliner gekriegt habn, als er ihrn Reichstag eingewickelt hat. Also, daß man da auf kommt, daß de Kinder gar nicht früh genug da auf vorbereitet werden, was se später in' Leben erwartet, und gleichzeitig lern' sie, daß auch die negativste und ekligste Sache ihrn posetiven Aspekt hat, wenn man sie mit ne Fahne schmückt. Nimm bloß mal unse Bundeswehr...“Lars guckt mich nu tatsächlich mit ganz runde Augen an, und denn sagt er: „Also, ich merk in der Tat, wenn ich mir diese Kothaufen mitte Flaggen in so vorstell, daß bei mir wirklich Denkanstöße inne Gänge komm': Als ich nämlich neulich mal bei eine Wahlversammlung von Herr von Beust war – über den sein Kopp hing auch ein riesiges Bild, wo seine Füsiognomie nochmal auf abgebildet war – aber da stand nicht KACKE drauf, sondern bloß CDU...“„Das sind ja schöne Denkanstöße...“, sag ich.