Rocky Horror Picture Show

■ Ich sag' einfach „Hello again“: Unter den technologischen Highlights der Ifa sind auch ein paar alte Bekannte

Was es wieder nicht gibt: Das Autoradio, das die Benzinzufuhr regelt, den Fernseher, der auch faxt und Gurken hobelt und die Fernbedienung, mit der man Derrick abschießen kann. Ansonsten aber ist Konvergenz Trumpf: Telefon, Glotze und PC verschmelzen zu Multitainmentgeräten, mit denen es sich parallel durch TV-Kanäle und das Internet surfen läßt. Einmal auf Ulrich Wickert klicken, schon erscheint eine Telefonnummer, unter der man ein schönes Set für Camembertfondue bestellen kann.

Die aufs Fernsehprogramm spezialisierten Fernseher kommen zumindest mit einer neuen Technik um die Ecke – zum Beispiel lasergestützt. Ein Projektor wirft gestochen scharfe Bilder an die Wohnzimmerwand oder auch auf die Brandmauer des Nachbarhauses. Und das für schlappe 100.000 Mark. Wer noch Geld übrig hat, kann in der Halle nebenan die teuerste Stereoanlage der Welt erwerben. Kostenpunkt 1,2 Millionen Mark. Visa und Diners Club wohl accepted.

Ein Bummel durch die Messehallen, vorbei an großen Bergen von Flimmerkisten, Laptops und Spielkonsolen beweist: Funkausstellung ist auch dieses Jahr nur ein anderes Wort für Freakshow der Technik. Zu jeder Ifa wiederholt die gebeutelte Elektronikbranche ihr Mantra von der Neuerfindung des Sehens und ignoriert einfach, daß die meisten Bundesbürger der neuen Technik eher skeptisch gegenüberstehen und mit ihrem 64cm-Hobel von Saturn oder Eduscho ganz zufrieden sind. Doch das Mutmachen der Branche gehört zur Ifa wie die belegten Brötchen für sechs Mark, gilt es doch, das Forschungsbudget im nachhinein zu legitimieren.

Also her mit den neuesten Basteleien aus dem Forschungslabor, als da wären: DVD – eine CD, die dereinst die Viedeokassette ablösen soll. DVD hat die siebenfache Speicherkapazität einer Audio-CD und kann acht Stunden Film konservieren. Die Abspielgeräte, in die man auch Phil Collins schieben kann, kosten derzeit noch 1.500 Mark, und das ist nicht der einzige Haken: Außer der Fußball-EM von 1996 gibt es momentan keine einzige Programm-Disk. Da die Hollywood-Studios fürchten, daß ihre Filme schon vor dem Kinostart in Deutschland auf DVD angeboten werden. Schließlich erlaubt die neue Technik Kopien ohne Qualitätsverlust, wie er beim VHS-Verfahren üblich ist. Auch über den Standard des Verfahrens wird noch gestritten. Devise: Erst mal abwarten.

Nicht ganz so neu wie DVD ist „der Fernseher für den Rolexträger“, wie Panasonic-Sprecher Andrä Hermann die superflachen Bildschirme nennt, die die Branche schon seit ein paar Jahren an die Stellwände hängt. Die 15.000 Mark teuren „Edel-Flundern“ (Die Woche) liefen schon auf der Ifa 95 unter der Rubrik Neuheit, danach aber waren Sonys Plasmaglotzen vollständig von der Bildfläche verschwunden. Auch Siemens schickte 1995 den „Multimedia- Star“ ins Rennen – eine eierlegende Wollmilchsau in Form eines Fernsehers, der auch Faxgerät, CD-Player und Computer war, allerdings nur eine Bildschirmdiagonale von 35 Zentimetern hatte. Manfred Weis von Siemens-Nixdorf disqualifiziert den Star heute mit den Worten „nicht mehr State of the Art“.

Der größte Technik-Zombie aber heißt dieses Jahr DAB – Digital Audio Broadcasting. Mit einer unglaublichen Energie versuchen dessen Anhänger, das digitale Radio durchzudrücken und dessen Gimmicks schmackhaft zu machen. Radiowecker, die auch die Außentemperatur anzeigen und Ghettoblaster, die gleich die aktuellen Konzerttermine der Interpreten ausspucken. Im Falle des Digital Audio Broadcasting, könnte die Beerdigung sogar noch künstlich herausgezögert werden, denn die Unterhaltungselektronik-Industrie will damit nicht weniger, als – na, was wohl – richtig: den Standort Deutschland retten. Ferdinand Keyserlingk/Oliver Gehrs