Verfassungsrichter auf CSU-Linie

■ „Mehr Demokratie in Bayern“ kündigt neues Volksbegehren an

München (taz) – Florian Besold war zufrieden. Der konservative Rechtsanwalt, der als Privatmann gemeinsam mit drei anderen privaten Klägern das Bürgerentscheid- Gesetz vor dem Bayerischen Verfassungsgericht angezweifelt hatte, hat gestern in zwei zentralen Punkten Recht bekommen. Die Verfassungsrichter bemängelten zum einen, daß bei einem bayerischen Bürgerentscheid nach den geltenden Vorschriften keine Mindestbeteiligung der Bürger notwendig ist. Auch kritisierten sie, daß ein Gemeinderat nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren drei Jahre lang nichts mehr daran ändern darf.

„Das Verfassungsgericht hat heute einen Dienst am Gemeinwohl getan“, freute sich Besold nach der Urteilsverkündung, während neben ihm Thomas Mayer von „Mehr Demokratie in Bayern“ die Niederlage eingestehen mußte: „Das war ein Putschversuch der Richter gegen das Volk. Wir werden das nicht hinnehmen.“

Der bayerische Landtag hat jetzt gut zwei Jahre Zeit für die Korrekturen der Vorschriften zum Bürgerbegehren. Doch die Frist bis zum 1.Januar 2000, die die Verfassungsrichter gesetzt haben, sollten die Abgeordneten nicht ausschöpfen, forderte Florian Besold: „Die Parteien tun gut daran, sich nicht erst nach den nächsten Wahlen zusammenzusetzen, sondern schon jetzt etwas zu ändern.“

Zumindest die CSU dürfte mit den Änderungen keine großen Probleme haben. Denn schon 1995 sah ihr damals erfolgloser Gegenentwurf zum Volksbegehren von „Mehr Demokratie in Bayern“ vor, daß ein Bürgerentscheid nur dann gültig wäre, wenn mindestens ein Viertel aller Wähler zustimmen. Die Bedenken der CSU seien von dem Gericht gewürdigt worden, meinte CSU-Generalsekretär Bernd Protzner: „Ich fordere die SPD auf, sich einer Korrektur nicht länger zu verschließen.“

Die zweite von den Verfassungsrichtern angemahnte Änderung zur Geltungsdauer der Bürgerentscheide paßt der CSU ebenfalls ins Konzept. Die heute gültigen drei Jahre seien zu lang, befand das Verfassungsgericht. 1995 hatte die CSU eine Bindung von einem Jahr für ausreichend gehalten.

Zwei von der CSU bemängelte Punkte ließ jedoch auch das Verfassungsgericht unangetastet: Es sei akzeptabel, daß auch über Themen abgestimmt werden kann, die finanzielle Folgen für die Gemeinde haben, urteilten die Richter. Außerdem sei hinzunehmen, daß die Unterschriften zur Einleitung eines Bürgerbegehrens auch auf der Straße gesammelt werden können.

Thomas Mayer von „Mehr Demokratie in Bayern“ will nun erneut einen Volksentscheid einleiten, mit dem der Richterspruch von gestern korrigiert wird. Man werde juristisch prüfen lassen, auf welchem Wege das möglich ist: „Wahrscheinlich müssen wir versuchen, mit einem neuen Volksbegehren die bayerische Verfassung entsprechend zu ergänzen.“

Die bayerischen Grünen haben nach dem Urteil Kritik am bayerischen Verfassungsgericht und seiner Zusammensetzung geübt. Das Gremium, dessen Mitglieder vom Landtag mit einfacher Mehrheit gewählt werden, habe einen Anteil von 86 Prozent CSU-treuen Verfassungsrichtern, kritisierte der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Manfred Fleischer. Felix Berth

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