Aus ist's mit der Demokratie

■ Bürgerentscheide in Bayern gestoppt

München (taz) – Die Zeit der spannenden Bürgerentscheide in Bayerns Gemeinden ist bald vorbei. Nach einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes müssen wesentliche Paragraphen im Gesetz über die Bürgerentscheide spätestens bis zum 1.Januar 2000 geändert sein. Dadurch werden die Hürden für Bürgerentscheide höhergesetzt.

Die Verfassungsrichter stören sich vor allem an zwei Vorschriften: daran, daß bei einem bayerischen Bürgerentscheid keine Mindestbeteiligung der Bürger notwendig ist, und daran, daß ein Gemeinderat nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren drei Jahre lang nichts daran ändern darf. Beides zusammen könne zu einem „Stillstand der Verwaltungstätigkeit“ führen, sagte die Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichts, Hildegund Holzheid, gestern. Ein Gemeinderat könne möglicherweise „nicht mehr angemessen handeln“. Damit sei das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden verletzt, meinte Holzheid.

Die bayerischen Vorschriften über Bürgerbegehren entstanden im Jahr 1995 durch einen landesweiten Volksentscheid. Damals hatten die Bürger zwei Möglichkeiten zur Auswahl: einen Entwurf der Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“, der sich weitgehend an Schweizer Modellen orientierte, und einen Entwurf der CSU, der durch viele Einschränkungen Bürgerentscheide möglichst schwer machen wollte. Dem Entwurf der Christsozialen stimmten lediglich 38,7 Prozent der Wähler zu; der Vorschlag von „Mehr Demokratie in Bayern“ erreichte mit 57,8 Prozent der Stimmen deutlich die Mehrheit.

Nach dem Urteil muß nun der bayerische Landtag aktiv werden und Nachbesserungen vornehmen. Die CSU kann so ihren 1995 von den Wählern abgelehnten Vorschlag doch noch durchsetzen. Die Vertreter von „Mehr Demokratie in Bayern“ haben bereits angekündigt, ein weiteres Volksbegehren einzuleiten, um das Gerichtsurteil von gestern zu korrigieren. Fex

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