Wieviel Law & Order schafft die Hamburger SPD?

■ Voscherau hält Gutachten über steigende Jugendkriminalität unter Verschluß

Hamburg (taz) – „Law and order is a labour issue.“ Geht es um das Hamburg beherrschende Wahlkampfthema „innere Sicherheit“, greift Bürgermeister Henning Voscherau gerne zu markigen Parolen. Geht es jedoch um eine Bilanz der SPD-Sicherheitspolitik, wird der Stadtoberste kleinlaut: Seit Monaten hält er eine brisante Studie zur Jugendkriminalität zurück, erstellt vom Leiter des kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Christian Pfeiffer.

Die Studie besagt: In Hamburg begehen immer mehr Jugendliche Straftaten – und immer seltener werden sie dafür bestraft. Laut Senatssprecher Franz Klein sei die Studie noch unter Verschluß, weil noch an Ergänzungen gearbeitet werde. Das hinderte Voscherau jedoch nicht daran, die Zwischenergebnisse bereits dem SPD-Präsidium zur Verfügung zu stellen.

Das erste Fazit: Während bei 14- bis 18jährigen Straftaten „wie bei einem Flächenbrand“ zugenommen hätten, würden die Verfahren um 237 Prozent häufiger als noch vor sechs Jahren eingestellt. Die wenigsten Jugendlichen müßten jemals vor Gericht – selbst bei wiederholter Körperverletzung nicht. Die Anzahl der Freiheitsstrafen sei um 53 Prozent zurückgegangen. Auch die Sanktionen, die das Jugendstrafrecht unterhalb des Knasts bereithält, seien nicht ausgeschöpft worden. Um 72 Prozent sei die Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit zurückgegangen, um 64 Prozent die zu einer Geldbuße. Pfeiffers Resümee: In Hamburg ist die Bekämpfung der Jugendkriminalität zur Formblattjustiz verkommen. Daß Voscherau damit hinter dem Berge hielt, ist ein gefundenes Fressen für die Oppositionsparteien. CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust, der seine Vormachtstellung in Sachen „innere Sicherheit“ durch die SPD- Kampagne schon gefährdet sah, höhnte vom „Law-and-Order-Gerede der SPD“. Die Geheimhaltung der Studie vor der Bürgerschaftswahl am 21. September zeige, daß „die Verantwortlichen zu Recht ein schlechtes Gewissen haben“. GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager fordert, die Staatsanwaltschaften technisch, organisatorisch und personell zu verbessern, damit „die tauglichen Mittel im Jugendstrafrecht auch wirklich zur Anwendung kommen“. Auch Pfeiffer schlägt neue Planstellen für die Ermittlungsbehörde vor. Deren Überlastung sei der Grund für die „reine Verwaltung der Jugendkriminalität“. Aber er warnt auch vor dem Ruf nach harten Strafen: „Knast ist bei jungen Menschen der beste Weg, einen stabilen Rückfalltäter zu erzeugen.“ Elke Spanner