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■ VorschlagVor dem Exil: "Dein ist mein ganzes Herz..." in der Neuköllner Oper

Vorschlag

Vor dem Exil: „Dein ist mein ganzes Herz...“ in der Neuköllner Oper

Drei alte Männer in einem schäbigen Hotelzimmer. Der eine kramt ewig in seinem Kulturbeutel herum, der andere schäkert mit der Pianistin am Bühnenrand, der dritte raunt komische Sätze wie Loriots Zeichentrickfiguren. Drei Pensionäre reden vor sich hin: von ihren Karrieren, ihren Freundschaften. Der eine ein Jahrhunderttenor, Richard Tauber, der andere ein Operettenkönig, Franz Lehar; der dritte, Fritz Löhner-Beda, ein Librettist von albernen Schlagern wie „Ausgerechnet Bananen“ und Operetten à la „Land des Lächelns“. Vereint gelangten sie zu Weltruhm – bis die Nazis kamen. Angefeindet wegen seiner jüdischen Frau, laviert sich Lehar durch; Tauber, der „Halbjude“, der immer nur ein „deutscher Sänger“ sein wollte, geht ins Exil; Löhner-Beda wird in Auschwitz ermordet. Seine Lagerhymne für das KZ Buchenwald darf seinen Autorennamen nicht tragen.

Mit „Dein ist mein ganzes Herz oder Wenn Hitler zur Operette gegangen wäre...“ versuchen Peter Lund und Tilman Gersch, der auch für die Regie verantwortlich zeichnet, Löhner-Beda späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Während die Namen Lehar und Tauber auch heute ihren Glanz bewahrt haben, ist der ihres Librettisten dank der Nazis mit Erfolg totgeschwiegen worden. Aus authentischem Material haben sie eine fiktive Begegnung der drei Männer konstruiert. Wo zunächst noch rühriger Humor und inbrünstig gesungene Operettenlieder vorherrschen, dominieren bald andere Töne die Situation: Es geht um Verantwortung, Versäumnisse und auch Mitschuld am Tod Löhner-Bedas – wie konnte man in solchen Zeiten als Künstler unabdingbar unpolitisch bleiben?

Viel Information, die das Autorenteam vermitteln will. Daß es ihnen gelungen ist, ihr Material lebendig werden zu lassen, liegt auch an ihren drei Darstellern (Hans Klima, Herbert Manz, Walter Pfeil). Alte, liebenswerte Käuze, charmante Sonderlinge, die ihre Verletzungen lieber mit Anekdoten und kindlichem Stolz auf den eigenen Ruhm verdecken, als sich den Verwundungen zu stellen. Axel Schock

Nächste Vorstellungen am 31.8., 2.–6.9., jeweils 20 Uhr, Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131–133

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