„Es fehlt weiter an Impulsgebern“

■ Dr. Gerhard Heimpold ist Wirtschaftswissenschaftler für Regionalforschung am Institut für Wirtschaftsforschung Halle

taz: Können die neuen Bundesländer mit 200 Millionen Mark weniger leben?

Dr. Gerhard Heimpold: Was jetzt diskutiert wird, muß man mit Sorge sehen. Es verunsichert Investoren! Es ist wünschenswert, daß hier schnell Klarheit geschaffen wird und die Förderung so weiter geführt werden kann, daß kein Investor abgewiesen werden muß.

Würden denn die ursprünglich vereinbarten 709 Millionen Mark ausreichen?

Die Idee war ja mal, daß diese Kürzungen Mittel betreffen, die aufgrund von nicht rechtzeitig umgesetzten oder ganz stornierten Investitionen nicht abgerufen wurden. Die hätten dann eingespart werden können. Bisher haben die Länder mit solch wieder frei gewordenen Geldern andere Förderanträge befriedigt. Diese Flexibilität geht bei der Kürzung verloren.

Haben die bisherigen Förderungen Ostdeutschland und die dortige Wirtschaft denn überhaupt weitergebracht?

Die vergangenen sieben Jahre zeigen, daß ohne eine massive Wirtschaftsförderung in Ostdeutschland ein Investitionsgeschehen in dem gegebenen Umfang nicht zustande gekommen wäre. Denn trotz aller Fortschritte bestehen erhebliche Standortnachteile. Die Investititionsförderung hat einen Nachteilsausgleich geschaffen. Das schließt nicht aus, daß im Einzelfalle auch Mitnahmeeffekte zu verzeichnen sind, aber angesichts der fortbestehenden Standortnachteile kann das nicht verallgemeinert werden.

Im Westen Deutschlands ist man allerdings der Meinung, daß schon viel zu viele Milliarden in den Osten geschoben wurden.

Da muß man sich folgendes überlegen: Wenn hier im Osten nicht bald eine selbsttragende Wirtschaftsentwicklung zustande kommt, dann ist Ostdeutschland auf lange Sicht von Sozialtransfers abhängig. Investitionen in die Zukunft, in Unternehmen und in die Infrastruktur sind doch der bessere Weg, damit diese Transfers schrittweise und bald zurückgeführt werden können.

Etliche Förderungen sind ja aber auch völlig fehlgeschlagen. Ich nenne da nur den Bremer Vulkan oder den Milliardenverlust bei SMI in Frankfurt.

Aber in die Milliardensubventionen der Chemieindustrie setzt man hier große Hoffnungen, daß daraus auch Impulse für die regionale Entwicklung hervorgehen. Wir sehen auch, daß im Umfeld diser Projekte sich kleinere und mittlere Unternehmen ansiedeln. So partizipiert schrittweise auch der regionale Mittelstand und erhält Aufträge oder tritt als Kooperationspartner auf. Insofern muß man diese Großinvestitionen begrüßen, und eigentlich fehlen nach wie vor große Unternehmen als Impulsgeber für die regionale Entwicklung. Die gute Durchmischung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben fehlt in Ostdeutschland eben noch.

Wäre es denn nicht sinnvoller, den Mittelstand gezielt zu fördern?

Der Mittelstand hat glücklicherweise an Breite gewonnen. Aber der industrielle Mittelstand ist noch viel zu schmal und zu fragil.

Sind die Kürzungsbegehren der Bundesregierung ein Signal, daß sie sich nicht mehr um Ostdeutschland kümmert?

Ich habe nicht den Eindruck, daß Ostdeutschland hintenangestellt wird. Was ab 1999 als Strategie mit dem geschnürten Förderpaket angedacht ist, zeigt eigentlich daß Ostdeutschland weiter im Blickpunkt der Politik ist.

Warum streicht Finanzminister Theo Waigel dann trotzdem Millionen?

Da haben wohl die kurzfristigen haushalterischen Gründe überwogen und nicht die langfristige Perspektive. Interview: Ulrike Fokken