„In der Kunst wird nichts überflüssig“

■ Trotz angedrohter Repressalien und Maulkorberlaß: Norbert Pritsch, Leiter der Druckwerkstatt des Berufsverbands Bildender Künstler im Bethanien, im Gespräch

Drastische Sparmaßnahmen stehen der Druckwerkstatt im Künstlerhaus Bethanien bevor (siehe taz vom 7.5. und 17.7.). Über 100 Ausstellungsmacher und Museumsleute unterschrieben den offenen Brief des „Anti-Amputations-Komitees“, an einer Protestausstellung im Bethanien beteiligten sich mehr als 500 internationale KünstlerInnen. Ob die Aktionen Wirkung zeigen, ist derzeit freilich mehr als fraglich.

taz: Herr Pritsch, der Träger der Druckwerkstatt, das Kulturwerk des BBK, hat in den vergangenen Monaten drei Ihrer Mitarbeiter gekündigt. Ab 1. Oktober wird es in den Abteilungen Offset- und Buchdruck keine personelle Betreuung mehr geben. Können das nicht andere Angestellte der Druckwerkstatt übernehmen?

Norbert Pritsch: Die beiden Abteilungen waren die zentralen Schnittstellen für alle Arbeiten, die irgendwie mit der Herstellung von Büchern und Katalogen zusammenhängen. Das sind oft sehr komplexe Vorgänge und eigentlich die interessantesten Dienstleistungen, die wir im Angebot haben. Die Mitarbeiter, denen gekündigt wurde, sind Spezialisten, die man nicht so leicht ersetzen kann.

Die Leitung des Kulturwerks behauptet, daß die Offsetdruckmaschine, die es hier gibt, nicht mehr sauber druckt. Stimmt das?

Die betreffende Maschine ist in einem hervorragenden Zustand. Es handelt sich dabei um eine Einfarbdruckmaschine, die konstruiert ist wie eine alte Buchdruckpresse, sehr einfach und übersichtlich. Die arbeitet vielleicht nicht so rationell, aber man kann in den Druckvorgang jederzeit eingreifen. Das ist bei neueren Vierfarbdruckmaschinen nicht möglich.

Kulturwerk-Geschäftsführer Thomas Spring ist da offenbar anderer Ansicht. Er meint auch, daß Offset- und Buchdruck in absehbarer Zeit in der Kunst keine Rolle mehr spielen.

Unsinn, es gibt in der Kunst nichts, was überflüssig wird. Der Kanon der Möglichkeiten wird ständig größer, aber die alten Techniken bleiben. Es ist genau andersherum; gerade weil es bald überall nur noch den digitalen Druck geben wird, ist es wichtig, daß wir Offsetdruck anbieten.

Das Kulturwerk möchte die Druckwerkstatt zu einer Medienwerkstatt umbauen, die Technik auf den neuesten Stand bringen, mehr Computerarbeitsplätze schaffen. An sich nichts Schlechtes, oder?

Das, was da kommen soll, haben wir längst. Und daß der Bereich digitale Bildbearbeitung noch nicht ausgebaut wurde, beklagen wir am allermeisten. Nicht wir haben geschlafen, sondern die Leitung des Kulturwerks hat da in der Vergangenheit selbst Chancen verpaßt.

Ursache für die Kündigungen ist ein Fehlbetrag von 75.000 Mark im Kulturwerk-Etat. Weshalb muß nur die Druckwerkstatt dieses Defizit ausgleichen und keine der drei anderen Einrichtungen des Kulturwerks?

Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es der Irrglaube, man könne künstlerische Abläufe nach betriebswirtschaftlichen Kriterien beurteilen. Natürlich können wir bei unseren Preisen nicht mithalten mit jemand, der rein privatwirtschaftlich kalkuliert. Deswegen werden wir ja ausdrücklich öffentlich gefördert. Das Besondere an der Druckwerkstatt ist, daß sich die Künstler direkt in den Herstellungsprozeß einschalten können. Das ist in der freien Wirtschaft undenkbar.

Sie haben die Auflage, einen Teil Ihres Etats durch Eigeneinnahmen hereinzuholen. Konkret, was haben Ihnen Offset- und Buchdruck in den letzten Jahren an Umsatz gebracht?

1996 haben wir rund 35.000 Mark eingenommen. Das ist ein Drittel unseres Umsatzes.

Können Sie diesen Betrag künftig anderweitig erwirtschaften?

Sicher nicht. Das ist ja das Paradoxe: Die Stellenstreichungen schaden uns nicht nur in künstlerischer Hinsicht, die Einsparungen reduzieren sich auch noch um die Einnahmen, die mit diesen Stellen verdient wurden.

Es gibt Überlegungen, die Druckwerkstatt aus dem Kulturwerk-Verbund herauszulösen und mit einem anderen Träger in der bisherigen Form weiterzuführen. Wie realistisch ist so ein Plan?

Ich halte das nicht für unrealistisch, obwohl ein Trägerwechsel nur die äußerste Konsequenz sein kann. Schließlich verwaltet der BBK die Druckwerkstatt inzwischen seit 22 Jahren. Andererseits sind 80 Prozent der Künstler, die hier arbeiten, nicht Mitglied im BBK, die wollen die Möglichkeit zur Mitbestimmung. Wir hatten bisher nicht die Autonomie, die wir eigentlich brauchen. Interview: Ulrich Clewing