Mehr Grundrechte

■ Umfangreiche Verfassungsreform in Portugal stärkt Volksabstimmungen

Lissabon (taz) – Mit der gemeinsamen Zweidrittelmehrheit der regierenden Sozialisten (PS) und der größten Oppositionspartei, den liberal-konservativen Sozialdemokraten (PDS), hat das portugiesische Parlament am Mittwoch eine umfassende Verfassungsreform beschlossen. Demnach können die PortugiesInnen künftig auch über die Unterzeichnung internationaler Abkommen und Verträge direkt in einem Referendum entscheiden. Die Volksabstimmungen sollen den WählerInnen vor allem eine Mitentscheidung über den weiteren Weg Portugals in Richtung europäische Einigung ermöglichen. Die Initiative dazu kann künftig direkt von den BürgerInnen und nicht wie bisher nur vom Parlament oder vom Staatspräsidenten ausgehen. Die mit einem Minderheitskabinett regierende PS und die PSD einigten sich ferner auf die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Umweltschutz und ein Verbot fremdenfeindlicher Aktionen wurden in die Verfassung eingefügt.

Ein weiterer Kernpunkt dieser vierten Reform der Verfassung seit ihrem Inkrafttreten 1976, zwei Jahre nach dem Sturz der Salazar- Diktatur, ist das Wahlrecht für portugiesische Emigranten auch bei den Präsidentschaftswahlen. Bisher durften die 4,5 Millionen im Ausland lebenden PortugiesInnen nur an den Parlamentswahlen teilnehmen. Besonders die PSD hatte sich für eine Erweiterung des Wahlrechts für die mehrheitlich konservativ wählenden Auswanderer stark gemacht.

Künftig wird das verfassungsrechtliche Verbot gelockert, Straftäter gleich welcher Nationalität in Länder auszuliefern, in denen ihnen lebenslange Haft droht. Dies soll jetzt möglich sein, wenn Portugal „Garantien“ bekommt, daß diese Strafe, die die portugiesische Verfassung grundsätzlich verbietet, nicht zur Anwendung kommt. Der bekannteste Verfassungsrechtler des Landes, Jorge Miranda, sieht darin „ein Attentat auf die nobelsten Grundsätze der Verfassung“. Die internationale Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung stehe „nicht über fundamentalen Rechten“. Theo Pischke