Rein zufällig vorbeigekommen

Die am Unfallort Prinzessin Dianas festgenommenen Fotografen sind wieder auf freiem Fuß – und wehren sich gegen die Vorwürfe der Justiz  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Heute abend werdet ihr uns nicht kriegen“, soll Henri Paul den wartenden Fotografen am Hinterausgang des Pariser Nobelhotels „Ritz“ am Samstag abend zugerufen haben. Anschließend stieg er in die Pedale des dunklen Mercedes, in dem er wenige Minuten später Lady Diana, den ägyptischen Milliardär Emad al-Fayed und sich selbst in den Tod und den Leibwächter Trevor Rees-Jones in eine schwere Behinderung beförderte, die ihn möglicherweise lebenslang am Sprechen hindern wird. Die Fotografen, die die Verfolgung aufnahmen, berichten, daß der Mercedes schon auf der Concorde ins Schlingern geriet und bei Rot über die Ampel fuhr.

Vier Tage nach dem Drama an einem Betonpfeiler in dem Tunnel unter der Pariser Pont d'Alma erklärte gestern ein Kollege des verstorbenen Chauffeurs gegenüber Journalisten, im „Ritz“ sei bekannt gewesen, daß Henri Paul in seiner Freizeit „gepichelt“ habe, außerdem hätte er keine Lizenz zur Personenbeförderung gehabt.

„Das ist alles eine völlig absurde Geschichte“, erklärte einer der am Unfallort festgenommenen sechs Fotografen gestern in der Zeitung Libération. Nach seinem Eigenbericht hatte Jacques Langevin, Starfotograf der Agentur Sygma, der 1989 mit Fotos von dem Massaker auf dem Pekinger Tiananmen- Platz weltweit bekannt wurde, an dem Abend Bereitschaftsdienst. Als bekannt wurde, daß Diana und al-Fayed im „Ritz“ waren, sei er dorthin geschickt worden, aber nach Abfahrt des Paares wieder nach Hause gefahren. An der Verfolgung des Prominententransportes war er nicht beteiligt, sein „alter Golf“ wäre dazu auch viel zu langsam, sagt er. Zufällig will er auf seiner Rückfahrt vom „Ritz“ mehrere Minuten nach dem Geschehen an dem Unfallort vorbeigekommen sein. Die Anwesenheit von Scheinwerfern, Blitzlichtern und Polizei habe ausgereicht, um ihn seinerseits zum Fotografieren zu veranlassen. Langevin berichtet weiter, daß Fotografen vor Ort Notfallhelfer herbeitelefoniert hätten. Er selbst fühlte sich „nicht wohl in dieser Geschichte“ und wollte schon bald den Unfallort verlassen. Dabei wurde er festgenommen.

Die übrigen sechs zusammen mit Langevin festgenommenen sind seit Dienstag abend wieder auf freiem Fuß. Mehrere von ihnen mußten ihren Führerschein und ihre Presseausweise abgeben und erhielten Berufs- und Ausreiseverbot, solange die französische Justiz wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung gegen sie ermittelt. Laut Berichten von Augenzeugen und Polizisten sollen sie die Rettungsarbeiten behindert und die Polizisten beleidigt haben. Unter anderem soll ein Fotograf am Unfallort gerufen haben: „In Sarajevo haben die Bullen mich nicht bei der Arbeit behindert.“

William Bourdon, einer der Anwälte der festgenommenen „Paparazzi“, bezeichnete das Engagement der französischen Ermittler als „Spektakeljustiz“, die „dem Außenministerium und der internationalen Öffentlichkeit einen Dienst erweisen will“.

Im Gegensatz dazu will der Anwalt der Familie al-Fayed, der angesehene Pariser Rechtsanwalt und einstige Justizminister Georges Kiejman, einen „klaren Zusammenhang zwischen Paparazzi-Verfolung und Unfall“ erkennen.