Paparazzi hinter Gitter!

■ Die Pariser Justiz fügt sich der empörten Volksseele

Seit dem Morgen nach dem Unfall stehen die Schuldigen fest: eine Handvoll Paparazzi hat Diana zu Tode gejagt. Ob Bill Clinton, Helmut Kohl oder Catherine Deneuve – alle wissen, die Fotografen mit den Motorrädern waren zumindest mit schuld. Paparazzi sind unangenehme Typen, die einem auf dem Pelz rücken, also fressen sie auch kleine Kinder. Oder verursachen Autounfälle. Niemand fragt, wie sich das denn abgespielt haben soll. Die Version, ein Motorrad sei vor Dianas Daimler herumgekurvt, verschwand schnell wieder in der Versenkung. Dafür erfuhren wir, daß der Fahrer volltrunken in den Tunnel gerast ist. Tut nichts zur Sache, dann war es eben unterlassene Hilfeleistung. Helfen? Vielleicht Diana von Mund zu Mund beatmen? Oder die eingeklemmten Körper mit der Hand herausziehen? An der einzig sinnvollen Hilfe hat es ja nicht gefehlt – Handys und Notrufnummer.

Eine vom Tod der Märchenprinzessin eingelullte Öffentlichkeit sieht lieber die Paparazzi hinter Gittern, als ganz simpel nach der Plausibilität der Vorwürfe zu fragen. Verständlich, denn andernfalls könnte ja ein Schatten des Selbstverschuldens auf die Frau fallen, die sich – Nerven hin, Nerven her – unangeschnallt mit 180 durch den Tunnel chauffieren ließ. Unverzeihlich dagegen, daß die Pariser Polizei der empörten Volksseele nachgibt. Da werden sieben Fotografen 48 Stunden lang festgehalten, nur um von ihnen zu erfahren, was sie in den entscheidenden fünf Minuten gemacht haben. Da wird ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung – Vorstufe der Anklageerhebung – gegen zwei Fotografen eingeleitet. Und immer noch erfahren wir mit keinem Wort, was ihnen konkret vorgeworfen wird. Da dürfen sie ihren Beruf vorläufig nicht ausüben. Niemand weiß, auf welcher Rechtsgrundlage. Wegen Wiederholungsgefahr? Da findet sich unter den Festgenommenen ein Fotograf der renommierten Agentur Sygma. Kein Paparazzo. Er war so spät an den Unfallort gekommen, daß er sogar seinen Presseausweis vorzeigen mußte, um Bilder von dem Autowrack schießen zu können.

Bis gestern nachmittag, 24 Stunden nach der abenteuerlichen Mitteilung der Pariser Staatsanwaltschaft, hat sich erstaunlicherweise dagegen kein Protest geregt. Außer dem des betroffenen Berufsstandes. Michael Rediske

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