Kommentar
: Hamburg zum Trotz

■ Mit der Ehrung des Schauspielhauses darf sich im Wahlkampf niemand schmücken

Sensation? Ach was! Im Grunde ist es noch nicht mal überraschend, daß das Hamburger Schauspielhaus nun schon zum drittenmal in vier Jahren zum besten deutschen Theater gewählt wurde. Das Haus ist künstlerisch innovativ und risikobereit. Es hat sich einer neuen Regisseursgeneration und der aktuellen Dramatik geöffnet. Das sollen die anderen Theater erst mal nachmachen! Im Grunde kamen die befragten Kritiker am Schauspielhaus gar nicht vorbei.

Dennoch möchte man sich die Augen reiben. Denn die Bühne an der Kirchenallee hat künstlerischen Erfolg, obwohl seine Zuschauerzahlen steigen (was bei einem so großen Haus oft eher auf eine Verflachung des Angebots hindeutet). Und es kündet von der kulturellen Lebendigkeit dieser Stadt, obwohl es Einsparungen hinnehmen muß (von 1994 bis 1998 immerhin 2,5 Millionen Mark). Daß hier die Theaterkunst mit gestiegener Platzauslastung und gesunkenem Etat zusammengeht, das ist die eigentliche Nachricht. Mehr noch: Es ist ein Wunder.

Dieses Wunder trägt einen Namen – Frank Baumbauer. Der Intendant und sein Ensemble haben ihren Erfolg zweierlei Umständen abgetrotzt: dem Diktat der Sparhaushalte und der hanseatischen Vorliebe für Repräsentationskultur. Was übrigens auch bedeutet, daß sich im gegenwärtigen Wahlkampf niemand mit diesem Erfolg schmücken kann.

Nicht wegen, sondern trotz seines Standorts Hamburg steht das Schauspielhaus so gut da. Und die Hamburger Theatergänger haben einfach Glück gehabt.

Dirk Knipphals