Linke Hormone

■ Die Transgender-Aktivistin Leslie Feinberg öffnet ihren Bücherschrank

„Lo mich sich vorstellen: Ich bin a Jid und a Weltliche und a Internationalist. Ich hejss Leslie oder Les.“Mit diesen Worten stellte sich die US-Autorin Leslie Feinberg vor einigen Wochen in der Berliner Akademie der Künste vor. Gleich auf ihrer ersten Lesung in Deutschland machte sie damit deutlich, daß im Mittelpunkt ihrer Arbeit vor allem die Frage nach Identität steht. Die Andersartigkeit als Jüdin, als engagierte Linke und nicht zuletzt als eine, die sich jenseits der Geschlechtergrenzen bewegt, sind prägende Momente in Feinbergs Leben.

Ihre Erfahrungen mit den vielfältigen Repressionen, denen Menschen ausgesetzt sind, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau definieren, verarbeitete Feinberg zu ihrem stark autobiographischen Roman Stonebutch Blues, der zum Kultbuch avancierte und nun auch in der deutschen Übersetzung unter dem Titel Träume in den erwachenden Morgen vorliegt. Feinbergs Protagonistin Jess Goldberg wächst in einer jüdischen Arbeiterfamilie auf, reißt nach einem Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie von zu Hause aus und hält sich mit Fabrikarbeit über Wasser. In Lesbenbars lernt sie endlich andere „butches“kennen – Frauen, die wie sie Männerkleidung tragen und Männerarbeit machen.

Doch in der Zeit vor der Christopher-Street-Revolte, vor dem Beginn der lesbisch-schwulen Bürgerrechtsbewegung, machte sich jeder strafbar, der die zugewiesene Geschlechterrolle verweigert. Lesben, die nicht mindestens drei Teile weiblicher Kleidung am Körper trugen, riskierten Mißhandlungen durch die Polizei. Unter dem Druck der zunehmenden Repressionen, und weil sie als Frau keine Arbeit mehr bekommt, läßt sich Jess die Brüste amputieren. Zehn Jahre lang lebt sie mit Hilfe von Hormonen als Mann, bevor sie sich in der Transgender-Bewegung engagiert und sich auf eine eigene Identität fernab der starren Frau-Mann-Kategorien besinnt.

Die Überlebensstrategien aller, die sich jenseits der Geschlechtergrenzen bewegen, sind auch Thema ihres jüngsten Buches. Transgender Warriors erforscht die historische Entwicklung von Geschlechterrollen und deren Akzeptanz in verschiedenen Kulturen. Die aktive Gewerkschafterin gehört seit mehr als zwanzig Jahren der „World Workers Party“an. Seit kurzem setzt sie sich verstärkt mit ihrer jüdischen Herkunft auseinander. Zur morgigen Lesung innerhalb der Reihe „Lust am Lesen – Schriftstellerinnen öffnen ihren Bücherschrank“wird Feinberg nicht nur ihre eigenen Werke mitbringen, sondern auch die Literatur vorstellen, die sie dabei beeinflußt hat. Wetten, daß auch Marx mit dabei ist! Tina Fritsche Di, 9. September, Zentralbibliothek, Große Bleichen 23, 19.30 Uhr Leslie Feinbergs Lebensgefährtin Minnie Bruce Pratt liest zum Thema „Poetische Identitäten“: heute, Literaturhaus, 20 Uhr