Senat als Großbäcker

■ Berliner Finanzamt brockt dem Land eventuell die Übernahme von Geschi Brot ein

Berlin (taz) – Uwe Berlo hat seit vergangenem Donnerstag wieder Hoffnung. Der Geschäftsführer des Pleiteunternehmens Geschi Brot Schiesser und Sohn mit Hauptsitz in Berlin hält seitdem seine Firma für gerettet. Neuer Anteilseigner der Großbäckerei, bei der im August die Öfen ausgingen, sei das Land Berlin.

In der Senatsverwaltung für Finanzen weist man das zurück, hält sich gleichwohl bedeckt in Sachen Geschi Brot. „Das Land hat keine Anteile an der Firma“, sagt Sprecher Frank Zimmermann. Allerdings habe das zuständige Finanzamt für Körperschaften Anteile des Unternehmens gepfändet und eingezogen – um Steueraußenstände von Geschi zu begleichen.

Doch bei der Großbäckerei mit Außenstellen in Wuppertal, Dinklage und Krande ist außer Schulden nichts zu holen. Allein die Treuhandnachfolgegesellschaft BvS fordert über 29 Millionen Mark Fördermittel wegen nicht eingehaltener Zusagen zurück, die Schiesser bei der Übernahme von Ostbetrieben eingegangen war. Die übrigen Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft Geschi Brot schätzt Geschäftsführer Berlo auf bis zu zwanzig Millionen Mark.

Für ihn ist sonnenklar, daß das zuständige Finanzamt für Körperschaften den entscheidenden Fehler gemacht hat, indem es nicht allein Gesellschaftsanteile pfändete, sondern gleichzeitig die Einziehung verfügte. „Im Jurastudium lernt man früh den Satz: ,Pfände alles, aber ziehe nie ein‘“, sagt Berlo, denn die Einziehung erstrecke sich nicht nur auf Vermögenswerte, sondern auch auf Schulden. Das Land Berlin hätte damit schlagartig einen maroden Betrieb mit rund 500 Mitarbeitern und etlichen Millionen Mark Schulden, könnte sich dafür aber als Brötchenbäcker künftig seine Meriten verdienen.

Die Haushaltsexpertin der Fraktion von Bündnis 90/Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus, Michaele Schreyer, hat noch nie von einem vergleichbaren Fall gehört. „Grundsätzlich darf das Land nur Anteile von Firmen übernehmen, deren Aufgaben zumindest teilöffentlich sind.“ Und solche Beteiligungen müßte das Parlament zunächst bewilligen.

In diesem Fall waren nicht nur die Abgeordneten völlig außen vor, sondern offenkundig auch die zuständigen Verwaltungen. In der Senatswirtschaftsverwaltung hatte man vor einem Monat zumindest schon einmal mit Geschi Brot zu tun: Geschäftsführer Berlo hatte seinerzeit um eine Landesbürgschaft in einstelliger Millionenhöhe nachgesucht. Die Verwaltung erfüllte die Bitte nicht; Geschi kündigte dem Gros seiner MitarbeiterInnen zu Ende September und ging in die Abwicklung.

Während Uwe Berlo mit der „Pfändungs- und Einziehungsverfügung“ jetzt die Zukunft des Unternehmens gesichert sieht, geht ein von der taz befragter Steuerexperte von einer anderen Sachlage aus: „Mit der Einziehung erwirkt das Finanzamt eine Durchgriffshaftung auf Gesellschafteranteile. Die Verbindlichkeiten aber bleiben bei der Gesellschaft als ganzer.“ Für den Senat bleibt in jedem Fall die peinliche Tatsache, daß er bis zum gestrigen Tag nichts von dem ganzen Vorgang wußte. Gudrun Giese