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Sieben Gutmenschen in Tibet

Der kurze Augenschein ersetzt keine langfristige politische Strategie: Der Unterausschuß Menschenrechte des Bundestags besuchte erstmals die Autonome Region Tibet  ■ Aus Peking Georg Blume

Ein langer Marsch war das nicht: Drei Tage weilte eine siebenköpfige Delegation des Bundestags in Tibet. Die Abgeordneten besuchten Mönche und Nonnen in Klöstern und Gefängnissen. Sie brachten Listen politischer Gefangener mit. Sie fragten nach Inhaftierten, suchten Auskunft über die vermutete Folterpraxis. Sie forderten einen Dialog zwischen Peking und dem religiösen Oberhaupt der Tibeter im Exil, dem Dalai Lama. Für drei Tage war das ein stolzes Programm, das die Abgeordneten gestern der Presse in Peking zu vermitteln suchten.

Irmgard Schwaetzer (FDP), die einmal Außenministerin werden wollte, entdeckte in Tibet, daß die vermutete Zahl der politischen Gefangenen in der Region in etwa mit der Zahl inhaftierter Nonnen und Mönche übereinstimme. Dem Ausschußvorsitzenden und Sinologen Christian Schwarz-Schilling (CDU) fiel auf, daß in Tibet die chinesische Mandarin-Sprache dominiert – womöglich eine Gefahr für die Sprache der Tibeter. Gerd Poppe (Bündnisgrüne) bemerkte, daß wichtige Denkmäler der tibetischen Religion heute erhalten werden: „Aber eben als Denkmäler, und nicht als lebendige Orte der Religionsausübung.“ So machte jeder in den drei Tagen seine eigenen Beobachtungen.

Hochpolitisch sei das gewesen, betonten die Reisenden und verbuchten positiv, daß die chinesische Seite auf alle Gesprächs- und Besuchswünsche eingegangen sei. Nie zuvor habe ein deutscher Menschenrechtsausschuß Tibet besuchen dürfen. Einschränkend mußten die Abgeordneten allerdings feststellen, daß Antworten der Chinesen „bis zu gleichlautenden Formulierungen abgestimmt waren“. Zu bedauern war, daß die vorgelegten Listen politscher Gefangener abgelehnt und nicht einmal geprüft wurden. Auch war der Besuch im berüchtigten Gefängnis von Drapchi inszeniert und ließ „kein abschließendes Urteil“ zu. Einige wünschten sich gar „eine größere Gestaltungsfreiheit“ ihres Aufenthalts, weil man „meist Monologe“ geführt hatte. So kam es wohl, daß „persönliche Spaziergänge“ erwähnenswert schienen, zu denen sich die Abgeordneten ohne offizielle Begleitung und ohne Dolmetscher aufmachten.

Die Schwierigkeiten einer Menschenrechtsexkursion in eine der unterdrücktesten Regionen Chinas waren vorauszusehen. Die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer hatte erst vor Tagen ähnliche Erfahrungen gemacht und erleben müssen, wie ihr die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua schönfärberische Worte über tibetische Gefängnisse in den Mund legte. Die Furcht vor ähnlicher Manipulation mag ein Grund gewesen sein, weshalb das übliche Lob auf die Gastgeber gestern kurz ausfiel. Poppe faßte zusammen: Man sei unzufrieden, aber: „Es war ein Unterschied zur Tibet- Politik am grünen Tisch.“ Fragt sich, ob man jetzt an den grünen Tisch zurückkehrt? Vieles deutete gestern darauf hin: Keiner der Abgeordneten wolle Tibet bald wiederbereisen. Man war fertig miteinander. Das galt auch für Antje Vollmer, die über die deutsche Botschaft in Peking und den chinesischen Botschafter in Bonn offiziell gegen Xinhua protestieren will.

Die Entrüstung ist verständlich. Doch wenn es dem Bundestag mit seiner Tibet-Resolution vom vergangenen Jahr ernst ist, bräuchten seine Vizepräsidentin und sein Menschenrechtsausschuß eine langfristige Dialogstrategie mit der chinesischen Regierung. Der lange Marsch für Tibet beginnt erst.

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