Das Portrait
: Gegen Krieg und Nationalismus

■ Vesna Pesic

Die serbische Oppositionspolitikerin Vesna Pesić wird im Herbst mit dem diesjährigen Sacharow-Preis des norwegischen Helsinki-Komitees ausgezeichnet. Das Komitee, das seine Entscheidung am Montag bekanntgab, will damit Pesić' Verdienste als Mitbegründerin des Belgrader Anti-Kriegs- Zentrums würdigen, dessen Aktivisten schon bei Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien auf die Straße gingen.

Diese internationale Auszeichnung steht in scharfem Kontrast zu dem Ansehen, das Pesić im eigenen Lande genießt. Kaum ein Tag, an dem nicht ein Politiker die überzeugte Pazifistin beschimpft, im vornehmsten Fall als „Verräterin“, meist jedoch als „Hure“, und kaum eine Zeitung, die die strikte Antinationalistin nicht regelmäßig mit wüsten Diffamierungen belegt.

Selbst in der politisch unbedeutenden Friedensbewegung Serbiens ist die 56jährige Soziologie-Dozentin als Kämpferin für eine zivile Gesellschaft umstritten. Aktivisten der 68er Bewegung werfen ihrer Mitstreiterin vor, sich zu sehr von der nationalistischen Opposition vereinnahmen zu lassen, Feministinnen und Umweltfreaks kritisieren Pesić' Machtallüren. Einige machen der Wissenschaftlerin aus vornehmem Belgrader Haus auch zum Vorwurf, daß sie ein Faible für privaten Luxus und schnelle Autos habe und dafür die Politik manchmal auch zurückstelle.

International bekannt wurde die ehemalige Dissidentin, die unter den Kommunisten teilweise mit Berufsverbot belegt und zu mehreren kurzen Haftstrafen verurteilt worden war, im vergangenen Winter. Damals führte sie zusammen mit dem heutigen Belgrader Oberbürgermeister Zoran Djindjić und dem bärtigen Oppositionsführer Vuk Drašković das tägliche Demonstrationsmarathon gegen das Regime von Präsident Slobodan Milošević an. Im Dreigestirn des Belgrader Straßen-Happenings wirkte Pesić als das intellektuelle Aushängeschild. Ohne ihre Vermittlung zwischen liberalen und nationalistischen Oppositionellen wäre die Protestwelle zur Jahreswende schnell in sich zusammengebrochen, bescheinigen heute selbst ihre Gegner. Heute ist das bunte Gemisch aus Pazifisten, Freaks, Techno-Fans, Liberalen, Nationalisten und Rechtsextremisten, das sich „Zajedno“ (Gemeinsam) nannte, völlig zerstritten. Karl Gersuny