Erfolgreich träumen

■ Dominique Horwitz' wunderbarer Jacques Brel-Abend in den Kammerspielen

So ein Jacques Brel-Abend ist eine gewagte Sache. Stimme und Intonation des Meisters des französischen Chansons sitzen so fest im Ohr, daß ein gnadenloser Vergleich unvermeidbar ist. Wie dem Interpreten verzeihen, daß der, den man eigentlich hören möchte, schon seit zwanzig Jahren unter der Erde liegt?

Dem bekannten Black Rider-Star Dominique Horwitz gelingt dieses Wagnis. Erfolgreich eröffnete der in Paris geborene Schauspieler mit seiner fünfköpfigen Band unter der musikalischen Leitung von Armin Pokorn die neue Spielzeit der Hamburger Kammerspiele. Obwohl er zu Beginn des Abends etwas viel parodiert und befürchten läßt, hier würde Poesie zu Slapstick verhackstückt, hat er uns spätestens nach dem dritten Lied auf seiner Seite.

Denn er kann auch anders. Die leisen Liebeslieder verkommen bei ihm nicht zu wiederaufgewärmter Nostalgie. Eindrücklich singt er in „Orly“von dem Schmerz der Abschiednehmenden, die vor der Wiederaufnahme ihrer Fernbeziehung noch ein letztes Mal ihre warmen Körper spüren. Überzeugend ist vor allem die schauspielerische Präsenz des Künstlers. Darin liegt der Zauber dieses Abends: Wir sehen sie alle wieder, die Säufer und Huren aus den Chansons. Es gelingt Dominique Horwitz, die gestrandeten Figuren aus den wortgewaltigen Poemen auf der Bühne wieder zum Leben zu erwecken.

Da ist zum Beispiel Jef: Von seiner Frau sitzengelassen, muß er davon überzeugt werden, daß wahre Männerfreundschaft trotz Suff und Einsamkeit noch glücklich machen kann. Da sind die Papasöhnchen, die nur das Bett verlassen, um des Erzeugers Geld auf den Kopf zu hauen. Die, die hinter dunklen Sonnenbrillen einsam aussehen. Und die langweiligen Belgierinnen, die nur zwanzig werden, um zu heiraten, und auch das nur, um Kinder zu kriegen. Die, die alles so machen, wie es eben sein soll.

Dominique Horwitz ist, wie Jacques Brel, auf der Seite der Verrückten, der Spinner und der Ewig-Sehnsüchtigen. Und wenn man Brel glaubt, daß man nur mit seinen Träumen erfolgreich sein kann, dann hat sich Dominique Horwitz' Traum gelohnt. Der Abend war jedenfalls ein voller Erfolg.

Katja Fiedler