Mattes Licht kultureller Grundversorgung

Hamburgs Kulturpolitik unter der parteilosen Senatorin Christina Weiss: Eine bessere Alternative in Zeiten des Sparens hat bislang noch niemand genannt  ■ Von Birgit Glombitza und Hajo Schiff

Als Bürgermeister Henning Voscherau 1991 die parteilose Christina Weiss als Kultursenatorin in den Senat holte, war die Überraschung groß. Die damalige Leiterin des Hamburger Literaturhauses galt als spröde Intellektuelle – also in allen Belangen als das Gegenteil einer Politikerin. Doch stellte sich nach ihren ersten noch etwas steifen Auftritten als Senatorin schnell heraus, daß ihre Bedachtheit einen sinnvollen Widerpart zur schnell angelernten Pragmatik bildete.

Nach ihrer ersten krassen Fehlentscheidung – der im Alleingang berufene Kammerspiel-Chef Stephan Barbarino gab schnell allen Skeptikern mit einer finanziellen und künstlerischen Pleite recht – bewies Weiss bald die Fähigkeit, widerstreitende Interessen zu kanalisieren und im Streit ums Geld so ausgleichend zu wirken, daß der große kulturelle Kahlschlag ausblieb. Und die von der Kulturbehörde lancierten Verselbständigungen der Staatstheater, der Erhalt von Kampnagel, die Schaffung eines Atelierhauses und die Formierung von Museum der Arbeit und Kunstinsel – trotz größten Sparzwangs – können sich sehen lassen.

Zwar sorgte die Schließung des alten Altonaer Theaters und mehrerer Bücherhallen für zahlreiche Proteste. Auch die unseligen Verhandlungen mit dem Filmbüro, dem erst eigene Filmfördermittel entzogen wurden, um es dann als Vermieter des Zeisegeländes trost- und belanglos vor sich hindümpeln zu lassen, verdienen keinen Tusch. Doch die einzige wirkliche Katastrophe stellt die Abwicklung des Jugendtheaters auf Kampnagel dar.

Etwas unglücklich fielen auch die Personalentscheidungen der Kultursenatorin aus. Sei es beim Filmfest, der Hamburger Filmförderung, den Kammerspielen, der Oper oder den Bücherhallen: Die Liste der berufenen Instituts-Chefs, die nach kurzer Zeit das Handtuch warfen, ist lang.

Daß der Erhalt kultureller Breite durch schmerzliche Sparmaßnahmen erkauft wurde, die im vorigen Jahr vor allem die Bücherhallen trafen (70 Stellen wurden gestrichen), läßt sich auch an den seit 1994 bei der Behörde und den Museen im Personalbereich eingesparten 6,3 Millionen Mark ablesen. Damit stehen die neuen oder erweiterten Ausstellungshäuser, der auf Hochtouren laufende Ausstel-lungsbetrieb, unveränderte Künstlerstipendien oder auch die Grundsanierung der Fassaden des Museums für Kunst und Gewerbe in einem etwas matterem Licht. Insgesamt garantiert der Kulturetat, anders als es den Anschein hat, nur noch die Grundversorgung der Museen.

Ein Großteil aller Ausstellungen wird durch Sponsoren finanziert, und der Kontostand von Stiftungen und Fördervereinen wird immer wichtiger. Nicht immer können VW- und Ferrari-Ausstellungen übers Jahr die Kassen sanieren. Deshalb legt die Kulturbehörde den Museen nahe, selbst Geld zu verdienen und auch organisatorisch die juristische Selbständigkeit anzustreben. Vorboten einer Strukturreform, die sich bei den Staatstheatern längst bezahlt gemacht hat.

Und wenn überregionale Kritiker-Liegen unlängst das Schauspielhaus und die Oper umarmten, ist das zwar kein unmittelbarer Verdienst der Senatorin, aber ein Zeichen dafür, daß die von ihr verordnete wirtschaftliche Eigenständigkeit keinen Qualitätskollaps bewirkt hat.

Trotz breiten Gejammers ist in Weiss' sechsjähriger Amtszeit niemand aufgestanden, um ernstzunehmende Spar-Alternativen zu verkünden. Auch in der Parteipolitik zeigte sich, einmal abgesehen von Klaus Lattmanns (CDU) Weiss-loyalem Einzelaktionen, das Desinteresse für Kulturpolitik in beschämender Uninformiertheit und Konzeptlosigkeit.

Doch egal in welchem Parteiprogramm man blättert, hinter aller aufgeregten Geschwätzigkeit verbirgt sich meist ahnungsloses Schweigen, das Christina Weiss' bisherige kulturpolitische Arbeit nicht ernsthaft in Zweifel ziehen kann.