Heiler werden nicht abgerechnet

■ Krankenkassen müssen umstrittene Heilverfahren nicht zahlen. Aber Patienten können leichter ihre Ansprüche stellen

Berlin (taz) – Einen Umsturz bei den gesetzlichen Krankenkassen werden die jüngsten Urteile des Bundessozialgerichts nicht bringen. Aber Patienten, die Bachblüten oder eine Akupunktur- Therapie in Anspruch nehmen wollen, könnten in nächster Zeit bessere Chancen haben, sich die umstrittenen Heilverfahren im Einzelfall von der Krankenkasse erstatten zu lassen.

Mit seinen Urteilen am Dienstag gab das Bundessozialgericht die Kriterien vor, nach denen Krankenkassen die Kosten für alternative Heilmethoden erstatten sollen. Im Grundsatz, so die Richter, sollen Kassen auch für Methoden zahlen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Damit wird auf den bisherigen Grundsatz verzichtet, daß die Wirksamkeit einer Methode zunächst in statistischen Reihenuntersuchungen nachgewiesen werden muß. Allerdings müsse eine „nennenswerte Anzahl von Medizinern“ diese Methode anwenden. Was „nennenswerte Anzahl“ heißt, ist noch unklar. In etwa vier Wochen wird die schriftliche Urteilsbegründung vorliegen. Eines aber schlossen die Richter bereits aus: Medizinische Verfahren, die der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen bereits als unwirksam abgelehnt hat, werden auch in Zukunft nicht von der Kasse übernommen.

In den Verfahren hatten zwei unheilbar erkrankte Frauen mit multipler Sklerose (MS) geklagt. Eine Krankenschwester forderte die Ersattung einer Akupunkturtherapie gegen ihre ebenfalls unheilbare Neurodermitis. Als Behandlung hatten die MS-Patientinnen die sogenannte immuno-augementative Therapie gewählt. Der Vater eines an Muskelschwäche erkrankten Jungen klagte auf die Kostenerstattung einer sogenanten Bioresonanz-Therapie. In allen Fällen argumentierten die Kläger, daß der bisher geforderte statistische Wirksamkeitsnachweis der Behandlung einer unheilbaren Krankheit sinnlos sei.

Das Bundessozialgericht schloß sich der Argumentation zwar grundsätzlich an, verneinte aber in allen Fällen den konkreten Anspruch auf Kostenübernahme. Sowohl die Bioresonanz-Therapie als auch die Akupunktur bei Neurodermitis würde nur von sehr wenigen Ärzten angewandt und seien daher „nicht hinreichend verbreitet“. Die immuno-augmentative Therapie sei bereits vom Bundesausschuß abgelehnt worden. (Az.:1RK14,17,28,30,32/95)

Derzeit zahlen einige Krankenkassen freiwillig für sogenannte Außenseitermethoden, auch wenn ihnen jeder Wirksamkeitsnachweis fehlt. Annette Rogalla