Wandern im Treibhaus Schweiz

Ein Führer mit 20 Touren kreuz und quer durch die Schweizer Alpen: Zu den Orten, wo die Klimaveränderungen besonders sichtbar werden. Eine Besprechung  ■ von Reinhard Kuntzke

Genau zehn Jahre ist es her, als im Sommer 1987 das norditalienische Valtellina in allen europäischen Gazetten für Schlagzeilen sorgte. Nach tagelangen schweren Regenfällen traten Gebirgsbäche über die Ufer, Häuser stürzten ein, Brücken wurden zerstört und Eisenbahngleise unterspült. Ein paar Tage später brach dann der Osthang des Pizzo Coppetto in sich zusammen, und Tausende Tonnen Gestein und Geröll stürzten zu Tal. Drei Dörfer unweit des Wintersportortes Bormio wurden vollkommen von den Steinlawinen begraben, 28 Menschen starben. Die Gesteinsmassen stauten die Fluten der Adda, die das Tal durchfließt. Ein riesiger See entstand, der eine immer größere Bedrohung für die talwärts gelegenen Orte wurde. War der Einsturz des Pizzo Coppetto sichtbarer Beweis für die Auswirkungen der weltweiten Klimaänderung, die besonders in den Alpen zu spüren ist?

Der Journalist Peter Krebs und der Geograph Dominik Siegrist besuchten für ihr Buch „Klimaspuren – 20 Wanderungen zum Treibhaus Schweiz“ auf einer der Touren den Schafberg und das Schweizer Bergdorf Pontresina, das im selben Sommer vor einem Jahrzehnt nur knapp einer ähnlichen Katastrophe entging. Hier war der Bergrutsch, der sich an den steilen Hängen des Schafbergs löste, glücklicherweise kurz oberhalb des Ortes am Friedhof zum Stillstand gekommen. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, daß die Hänge oberhalb Pontresinas von Permafrost durchzogen sind. Die vermeintlich auf Dauer gefrorenen Böden tauen nun im wärmer werdenden Klima langsam, aber sicher auf. Die Kräfte des Eises, die den Boden bislang zusammenhalten, schinden allmählich. Hangrutschungen sind die Folge, die das Tal von Pontresina wie auch andere Alpenregionen wohl in naher Zukunft noch öfters heimsuchen werden.

Auch bei anderen Wanderungen des Buches – eine Mischung aus Halbtagestouren und mehrtägigen Exkursionen – führen uns die Autoren zu Orten in der Schweiz, an denen die Klimaauswirkungen sichtbar werden: beispielsweise zum Gletscher Brunnifirn in Graubünden, der langsam vor sich hinschmilzt und immer kleiner wird, zum Skirevier Disentis in der Surselva, das im Winter mehr und mehr unter Schneemangel leidet, und zum Flughafen Zürich-Kloten, dessen geplanter Ausbau die Umweltprobleme weiterhin vergrößern wird.

Aber die Autoren zeigen bei ihren Exkursionen auch Lösungswege auf. So ist in eine der Wanderungen das autofreie Braunwald im Glarnerland einbezogen, das zusammen mit acht weiteren Schweizer Tourismusgemeinden die Autofreiheit als touristisches Markenzeichen propagiert. Eine andere Tour führt zur Windkraftanlage auf dem Grenchenberg im Jura, bis vor kurzem die größte ihrer Art in der Schweiz. Und ein realer Stadtspaziergang verläuft durch die fiktive Ökostadt Basel des Jahres 2010. Er umreißt neue Möglichkeiten, um das Potential für eine ökologische Standentwicklung aufzuzeigen.

Der Wanderführer ist als zweiter Band in der Reihe „Naturpunkt“ des Rotpunkt Verlages erschienen. Neben zahlreichen Sachtexten, die das nötige Hintergrundwissen vermitteln, enthält der Wanderführer genaue Streckenbeschreibungen für die vorgeschlagenen 20 Touren, diverse Übersichtskarten und einen Serviceteil mit touristischen Informationen sowie Hinweise zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Unterkunft und Einkehrmöglichkeiten unterwegs.

Dominique Siegrist/Peter Krebs: „Klimaspuren – 20 Wanderungen zum Treibhaus Schweiz“, Rotpunkt Verlag, Zürich 1997, 256 Seiten, 42 DM