■ Gong
: Gute Zeiten für die Fotografierkunst

Die Fotografie als Kunstform ist tot. Ja, ja. Schließlich macht heutzutage der Automat gar alles. Zu meiner Jugendzeit mußte man den Verschlußhebel noch mit der Hand spannen. Dabei galt als Faustregel bei gutem Wetter: Blende 8 = 1/50stel; bei Regen und bedecktem Himmel: Blende 11 = 1/125stel; oder es mußte gar der Blitzwürfel aufgeschraubt werden. Albern? Von wegen. Mit Hilfe dieser Methode habe ich ziemlich großartige Werke der Fotografierkunst erschaffen. Denken wir nur an „Abendhimmel über trocknender Wäsche“ beziehungsweise „Barbara Rabus im Faltenrock, Federball spielend“. Mittlerweile führt sogar mein nahezu erblindeter Schwager eine Kamera mit sich und lädt sogar zu Diavorträgen ein.

Ich (bis in die Haarspitzen konzentriert): Also noch mal: den linken Fuß über den rechten Oberschenkel und das Haupt in die Beuge des rechten Armes...?

Mein Schwager (die Fäustchen in die Hüfte stemmend): Linker Arm auf linkes Knie. Das kann doch nicht so schwer sein, mein Gott.

Ich (maulend): Du hast leicht reden, schließlich bin ich kein Jogi.

MS (sich aufplusternd): Wer wollte denn unbedingt ein künstlerisches Aktfoto wie das von Boris...?

Ich (vernünftig): Ich wollte lediglich eine Abbildung meines Körpers in all seiner natürlichen Anmut und...

MS (höhnisch): Ha!

Ich (mich in meiner ganzen Pracht aufrichtend): Was gibt es daran auszusetzen?

MS (unangebracht analytisch): Zu große Füße, zu schmale Schultern, Speckringe, Krampfadern, ganz abgesehen von dem verschrumpelten...

Ich (stolz): Schweig stille. Das ist doch lächerlich.

MS (frech): Genau.

Ich (gar nicht hinhörend): Nicht wenige würden sich darum reißen, mich so fotografieren zu dürfen.

MS (hämisch): Nicht wenige würden Reißaus nehmen, wenn sie dich so fotografieren müßten.

Ich (ansatzweise beleidigt): Wenn du ein gescheiter Fotograf wärst, würdest du dich über eine solche Aufgabe freuen.

MS (großkotzig): Das ist keine Aufgabe für einen Fotografen, das ist eine Aufgabe für einen Schönheitschirurgen.

Ich (gemein): Na bitte, dann fotografier halt meine Schwester.

MS (rasch abwiegelnd): Okay, okay.

Ich (scheinheilig): Linkes Bein über rechten Fuß?

MS (eifrig): Egal. Nur nicht deine Schwester.

Ich (froh): Na also. Uuuund: Action! Albert Hefele