Massenprotest gegen Ramos-Cha-Cha

Aufruhr auf den Philippinen gegen die Absicht von Präsident Ramos, sich per Verfassungsänderung im Amt zu verewigen. Ramos muß aufpassen: So stürzte 1986 schon die Marcos-Diktatur  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Text: „Ich werde nicht wieder kandidieren. Punkt. Punkt. Punkt“, hatte der philippinische Präsident Fidel Ramos noch kurz zuvor geschworen. Doch da war es bereits zu spät: Eine halbe Million Menschen protestierten gestern in der philippinischen Hauptstadt Manila und in den Provinzen gegen Pläne von Ramos-Anhängern, die Verfassung zu ändern, die dem Regierungschef nur eine einzige Amtszeit erlaubt. Es war die größte Kundgebung auf den Philippinen seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos vor elf Jahren.

Aufgerufen zu den Protesten hatten vor allem die katholische Kirche und die ehemalige Präsidentin Corazón Aquino, die 1986 aus den massiven Aufmärschen gegen Marcos als Siegerin hervorgegangen war. Gelbe Bändchen, Schleifen und Fähnchen, traditionelles Symbol des friedlichen Widerstands, zierten Bäume und Laternenpfähle überall in der Hauptstadt. Zu den schärfsten Kritikern des Präsidenten gehörte in den letzten Monaten Kardinal Jaime Sin, der schon führend im Widerstand gegen Marcos war und nun Ramos vorgeworfen hat, er „bereite eine neue Diktatur vor“.

Ramos, dessen Amtszeit im Mai nächsten Jahres endet, beteuerte zwar mehrfach, er strebe keine neue Amtszeit an. Doch während der Präsident seine Treue zur Verfassung beteuerte, versuchten seine Parteikollegen eifrig, das nach Ende der Marcos-Herrschaft verabschiedete Grundgesetz zu ändern. Künftig sollen alle Regierungs- und Provinzpolitiker mit sechsjähriger Amtszeit gleichzeitig gewählt werden. Bislang sind die Abstimmungstermine gestaffelt. Hübscher Nebeneffekt: Durch die neue Regelung würde sich die Regierungsperiode von Ramos faktisch verlängern. Unterstützung fand die Idee auch bei anderen Politikern, deren Amtszeit zu Ende geht und die bisher ebenfalls nicht wieder antreten dürfen.

Doch auf den Philippinen ist die Erinnerung an die 20jährige Marcos-Herrschaft noch nicht verblaßt. Viele witterten einen Anschlag gegen die Demokratie. Das Mißtrauen wuchs, weil Ramos es versäumt hat, sich einen Nachfolger heranzuziehen. Und die politische Opposition ist schwach und gespalten.

„Nein zum Cha-Cha“ schmetterten Ramos' Kritiker gestern rhythmisch, wobei Cha-Cha für „Charter Change“ steht – Veränderung des Grundgesetzes. Ramos, wetterte Kardinal Sin, „will uns in die dunklen Zeiten der politischen Katastrophen, des Kriegsherrentums, der Korruption, Pseudodemokratie und lähmenden Armut zurückführen“. Und er appellierte an die 58 Millionen Katholiken des Landes – das sind 83 Prozent der Bevölkerung –, „aufzustehen, um die Nation vor dem nahenden Desaster zu retten“.

Es ist ein steiler Absturz für den 69jährigen Präsidenten, der noch vor kurzem im In- und Ausland als überaus erfolgreicher Politiker gepriesen worden war. Unter seiner Regierung seit 1992 ging es der Wirtschaft der Philippinen besser denn je, der Bürgerkrieg flaute ab, Ramos verhandelte mit den linken Guerillas, gewährte muslimischen Aufständischen Autonomie. Gleichzeitig machte er seinem Ruf als „gerissener“ Politiker alle Ehre, der „absolut fähig ist, seine Feinde irrezuführen, indem er eine Sache sagt und eine andere tut“, kommentierte Asiaweek kürzlich. Und so wollte man dem Präsidenten gestern nicht trauen, als er vor Beginn der Demonstrationen erklärte, er wolle die Verfassung wirklich nicht ändern.

Ironie der Geschichte: Im Frühjahr 1986 hatte General Ramos entscheidend zum Sturz der Marcos-Diktatur beigetragen. Damals war er Vizestabschef der Streitkräfte. Er stellte sich hinter Kardinal Sin und Corazón Aquino, die durch die Massenproteste Präsidentin wurde. Ihr diente er dann als Verteidigungsminister. Die Politikerin erkor ihn 1992 zu ihrem Nachfolger.