Bitte um Hilfe ignoriert?

■ Blutiger Überfall auf Punk-Band in Pritzwalk: Zeugen belasten Polizei schwer

Berlin (taz) – Hätte die Polizei einen Überfall von Rechtsradikalen auf eine Punk-Band am vorigen Donnerstag im brandenburgischen Pritzwalk verhindern können? Indizien deuten inzwischen darauf hin, daß die Ordnungshüter viel zu spät reagiert haben. Mindestens zwei Bürger meldeten schon vor dem Überfall telefonisch die Anwesenheit einer Horde Skinheads in Pritzwalk.

Drei Funkstreifenwagen fuhren los, gaben hinterher jedoch an, nichts Auffälliges gefunden zu haben. Während die Beamten die märkische Kleinstadt nach Neonazis absuchten, dringen diese ins ehemalige Volkshaus des Ortes ein. Dort probt gerade die Punk- Band Beer Death. Mit Baseballschläger und Eisenkeulen schlagen die Neonazis auf die überraschten Musiker ein. Drei von ihnen werden verletzt, einer liegt immer noch auf der Intensivstation.

Erst als vier Jugendliche um 21.20 Uhr aus dem Volkshaus zur örtlichen Polizeiwache laufen, bemühen sich die Beamten zum Tatort. Die Schläger sind längst verschwunden, ein Krankenwagen kümmert sich schon um die Verletzten. Bei Notruf 112 wird normalerweise automatisch die Polizei verständigt. Dies ist in Pritzwalk nicht geschehen. Polizeipräsident Kreßmer: „Der Rettungsdienst hat uns nicht informiert.“

Auch in der ORB-Sendung „Brandenburg aktuell“ behauptet eine unkenntlich gemachte Frau, die Polizei sei schon vor dem Überfall über die drohende Gewalt informiert gewesen: „Wir haben gesagt, da sind ganz viele Neonazis unterwegs und randalieren. Die Polizisten darauf: ,Das wissen wir schon.‘“ Seit Donnerstag fahnden 24 Kriminalisten nach den Gewalttätern. Als Haupttäter wurde ein 35jähriger ausgemacht; ihm wird versuchter Mord vorgeworfen. Gegen weitere 17 Neonazis wird ermittelt. Drei wurden wegen schweren Landfriedensbruchs festgenommen, ein weiterer ist flüchtig. Die Täter kommen überwiegend aus Potsdam. Der Überfall war sorgfältig geplant, teilte am Wochenende die Staatsanwaltschaft Neuruppin mit. Robin Alexander