Senat verschläft die Revolution

■ Während dem Land zur 150-Jahr-Feier der Revolution von 1848 so gut wie nichts einfällt, planen Initiativen und Bezirke Veranstaltungen zum „revolutionären März“

100 Jahre nach der Revolution des Jahres 1848 sah es in Berlin noch ganz anders aus. 1948 gab es in Berlin zahlreiche Aktivitäten, die daran erinnerten, daß im März 1848 die Berlinerinnen und Berliner für Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit auf den Barrikaden gekämpft haben. Etwa 200 Menschen verloren damals ihr Leben. Der größte Teil von ihnen ist auf dem Friedhof der Märzgefallenen am Rande des Friedrichshains begraben. 1948 gab es 100-Jahr-Feiern, an denem Zehntausende teilgenommen haben. Der 18. März 1948 war nach einem Gesetz, das die damalige Stadtverordnetenversammlung beschloß, sogar ein gesetzlicher Feiertag.

„Angesichts der besonderen Bedeutung, die der 18. März für die Geschichte der Demokratie hat“, fügte seinerzeit die Bürgermeisterin Louise Schröder dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung hinzu. Die jetzige Große Koalition scheint von den revolutionären Ereignissen des Jahres 1848 völlig unbeleckt. 1998, 150 Jahre danach, wird es von Seiten des Berliner Senats praktisch kaum Aktivitäten geben. So beschrieben in der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der bündnisgrünen Abgeordneten Alice Ströver.

Nur die Anbringung einer Gedenktafel für die Preußische Nationalversammlung gilt als sicher. Die Herausgabe eines Stadtspaziergangs zu den Revolutionsorten, den das Berliner Institut für Lehrerfort- und Weiterbildung entwickelt hat, ist genauso unsicher wie ein zweitägiges Symposium der Historischen Kommission. Es hängt am Geld der Lotto-Stiftung. Die Humboldt-Universität werde wohl außerdem eine Ringvorlesung durchführen, deren Einzelheiten aber noch nicht festgelegt seien.

Selbst wenn die vom Senat aufgeführten Aktivitäten stattfinden würden, die Stadt böte ein trauriges Bild, was die Erinnerung an die revolutionäre Zeit hier und in Deutschland in den Jahren 1848/49 betrifft.

Während in Frankfurt am Main unter Beteiligung des Deutschen Historischen Museums eine große Ausstellung zum Parlament der Paulskirche organisiert und das Land Baden-Württemberg 5,2 Millionen Mark zur Verfügung gestellt hat, damit in Karlsruhe, Rastatt und anderen Orten der großen badischen Demokratiebewegung gedacht wird, herrscht in Berlin, dem Zentrum der revolutionären Ereignisse im März 1848, von Seiten des Senats offensichtlich das große Desinteresse und die Einfallslosigkeit.

Glücklicherweise haben aber einige Initiativen und Stadtbezirke den Jahrestag im Kopf und planen verschiedene Veranstaltungen. So hat die Bezirksverordnetenversammlung Mitte am 14. 8. 1997 einstimmig beschlossen, den „Platz vor dem Brandenburger Tor“ in „Platz des 18. März“ umzubenennen. Zwei geschichtlich unterschiedliche Daten, die aber beide mit dem Aufbegehren gegen die Obrigkeit zu tun haben, werden aufeinandertreffen. Die „Straße des 17. Juni“ wird auf den „Platz des 18. März“ treffen.

Die Initiative zur Benennung geht auf die mittlerweile 20 Jahre alte „Aktion 18. März“ zurück, die die Erinnerung an die KämpferInnen für demokratische Rechte wachhalten will. Die Benennung soll eine Station des geplanten Revolutionsspaziergangs der „Aktion“ sein, die im Tiergarten am Ort der Versammlungen im März 1848 beginnen und auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Friedrichshain enden wird. Dort wird es am Nachmittag des 18. März eine vom Bezirk Friedrichshain und der „Aktion“ organisierte Gedenkfeier geben. Auf dem Weg nach Friedrichshain wird der Zug an verschiedenen Orten der revolutionären Ereignisse anhalten.

Die Gedenktafelkommission der BVV Mitte hat sich die Anbringung von insgesamt 12 Erinnerungstafeln vorgenommen. Der Bezirk Tiergarten plant eine Ausstellung über die Rolle der Frauen in der 48er Revolution. Der Bezirk Charlottenburg will in einer Ausstellung besonders den Charlottenburgern nachgehen, die Abgeordnete in der Paulskirche gewesen sind. Im Bezirk Wilmersdorf blockiert dagegen die CDU immer noch einen Antrag der Bündnisgrünen, in der Kommunalen Galerie eine Ausstellung mit Karikaturen der 48er Revolution zu zeigen. Eine Ausstellung über die unterschiedlichen Formen des Gedenkens in Ost und West im Jahr 1948 will die Berliner Geschichtswerkstatt zusammenstellen. Aber auch dieses Projekt hängt von der Bewilligung von Lotto-Stiftungsmitteln ab. Jürgen Karwelat