"Eine rätselhafte Liebe"

■ Aliza Auerbach (Israel) hat weltweit Mütter und Kinder aller Generationen fotografiert

taz: Woher kommt Ihre Motivation, über Jahrzehnte und weltweit Mutter-Kind-Fotos zu machen?

Aliza Auerbach: Meine eigene Mutter hat sehr viel Wert gelegt auf Mutterschaft und auf die Beziehung zu ihren Kindern. Wir waren zu Hause vier Töchter, am liebsten hätte sie acht Kinder gehabt. Für mich ist diese grenzenlose Liebe der Mutter zum Kind sehr faszinierend, eine Liebe, die keine Kalkulation kennt. Einerseits ist Mutterliebe etwas ganz Selbstverständliches, auf der anderen Seite empfinde ich sie als eines der wundervollsten Rätsel des Lebens.

Empfanden Sie andere Mütter als anders?

Das kann ich nicht sagen, denn ich war nie das Kind einer anderen Mutter. Aber ich fühlte, daß für meine Mutter die Beziehung zu ihren Kindern das Wichtigste in ihrem Leben war.

Wichtiger als die Beziehung zum Mann?

Ja, in der Tiefe. Wenn ich mich heute umschaue, so hat sich das in den westlichen Ländern doch sehr gewandelt. Viele Frauen wollen keine Kinder, oder erst, wenn sie die Karriere auf den Weg gebracht haben: Kinder stehen auf der Wunschliste an letzter Stelle. Zum Beispiel die Tochter meiner Freundin in Holland, sie lebt mit ihrem Mann zusammen, ist über 30 und hat keine Kinder, weil sie sich Sorgen macht, wie sie mit ihren finanziellen Möglichkeiten ein Kind großziehen soll. Solche Bedenken hatte meine Mutter nie.

Sie selbst haben nur ein Kind.

Ich hätte gern mehrere Kinder bekommen, doch es hat leider nicht geklappt. Meine Schwestern haben alle viele Kinder, drei, vier oder sogar fünf.

Welches Foto ist Ihnen das liebste?

Das, wo gerade ein neues Baby geboren wird. Diese Situation ist unbeschreiblich. Neues Leben zu schenken, das ist ein heiliger Moment.

Auf einem Ihrer Fotos am Ende des Bandes hält eine alte, runzlige Mutter ihre etwa 40jährige Tochter im Arm und ist immer noch mütterlich. Dieses Bild ist mir sehr nahegegangen.

Dieses Foto zeigt meine Mutter mit meiner jüngsten Schwester. Das war vor drei Jahren. Damals war meine Mutter 89 und schon ganz behindert. Sie haben recht – obwohl sie selbst fast nichts mehr machen kann, gibt sie ihre Liebe weiter, ist sie noch die Mutter.

Sie wohnt heute noch in ihrer Wohnung und wird reihum von uns vier Töchtern gepflegt. Außerdem haben wir eine junge philippinische Frau zur Pflege angestellt. In Israel gibt es das Sprichwort: Eine Mutter kann zehn Kinder versorgen. Aber zehn Kinder können nicht für eine Mutter sorgen. Interview: Barbara Debus