■ Wahlen in Serbien: Verbündet sich Drašković mit Šešelj?
: Schrecken ohne Ende

Schon jetzt steht fest: Sieger der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien ist die Serbische Radikale Partei (SRS) und ihr extrem nationalistischer Führer Šešelj. Die Radikalen haben die Zahl ihrer Mandate mehr als verdoppelt. Die Linkskoalition verfügt nun über 98, die Radikalen über 80 und Vuk Draškovićs SPO über 45 Mandate. Somit hätte eine Koalition der SRS und der SPO die absolute Mehrheit im Parlament und könnte die seit sieben Jahren alleinherrschenden Milošević-Sozialisten ablösen. Ein Bündnis zwischen Šešelj und Drašković, dem mäßigen und dem ungezügelten Nationalisten, ist durchaus vorstellbar. Immerhin war Drašković Šešeljs Trauzeuge, trotz politischer Differenzen sind die beiden privat eng befreundet.

Für viele Serben wäre es ein Alptraum, die brutal nationalistische SRS als Regierungspartei zu sehen. Für andere wieder wäre ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Mit Šešelj könnte man eines Tages leichter abrechnen als mit Milošević, der die Polizei und das Militär kontrolliert. Dabei sollte man frelich nicht vergessen, daß Šešelj viele Anhänger unter den Berufsoffizieren hat, die glauben, den Krieg hätten die Serben nicht verlieren dürfen. Šešelj verspricht die Rückeroberung der serbischen Gebiete in Kroatien und Bosnien.

Die Epoche der Alleinherrschaft der Milošević-Sozialisten ist jedenfalls vorbei. Sie müssen sich einen Koalitionspartner im Parlament suchen. Die Ex- Kommunisten werden versuchen, den Monarchisten Drašković für sich zu gewinnen. Wenn Vuk (serbisch: Wolf) Drašković sich nicht ins Rotkäppchen verwandelt hat, wird er ein Bündnis mit den radikalen serbischen Šešelj-Faschisten wagen. So wird Drašković, der Verlierer dieser Wahlen, entscheiden, wer in den nächsten vier Jahren Serbien regieren wird.

Bei den Präsidentenwahlen hat der Kandidat der Linkskoalition, Zoran Lilić, über 1,2 Millionen, Šešelj 930.000 und Drašković rund 750.000 Stimmen auf sich vereinigt. Am 5. Oktober, in der Stichwahl zwischen den ersten beiden, werden die Drašković-Wähler entscheiden, wer serbischer Präsident wird.

Einerseits ist das Ergebnis der Wahlen gut für die Demokratisierung Serbiens, andererseits darf man den aufsteigenden Faschismus und seinen Antreiber, Vojislav Šešelj, nicht unterschätzen. Das ist schon einmal, 1933 in Deutschland, schiefgegangen. Andrej Ivanji