"Unterm Strich - Zuversicht"

■ Seit zwei Monaten ist Dietmar Schlee Bundesbeauftragter für die Rückführung bosnischer Kriegsflüchtlinge. Er soll die Rückkehr von 300.000 Menschen beschleunigen

taz: Herr Schlee, bevor Sie Ihr Amt vor zwei Monaten antraten, kannten Sie Bosnien-Herzegowina nur von Stippvisiten. Welchen Eindruck haben Sie heute?

Dietmar Schlee: Daß man den Menschen dort wirklich helfen kann beim Wiederaufbau der Wohnungen und der sozialen Infrastruktur. Und daß bei der Flüchtlingsrückkehr etwas geschehen muß, solange die internationale Völkergemeinschaft noch hilft. Wenn die Hilfe irgendwann ausläuft, werden sich die Menschen bei der Rückkehr ungleich schwerer tun.

Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie nicht gerechnet?

Daß die Unterstützung durch die EU so problematisch und unbefriedigend ist. Eines meiner Anliegen ist daher, die Finanzierung von Projekten in Brüssel zu beschleunigen und mehr Geld zu bekommen. Derzeit bin ich stolz darauf, daß sich die Bundeswehr nachhaltiger als bisher bei der Realisierung von ganz konkreten Bauprojekten einschaltet. Das ist sehr effizient.

Zum anderen hat die deutsche Wirtschaft mit der Einrichtung einer Repräsentanz in Sarajevo einen ersten Schritt gemacht, dem sicher ganz konkrete Schritte zu Investitionen folgen werden. Das ist ein beachtlicher Erfolg, weil es für die Flüchtlingsrückkehr ganz entscheidend ist, daß Arbeitsplätze geschaffen werden. Zumindest in der bosnisch-kroatischen Föderation beginnen sich die Dinge zu normalisieren.

Aber auch dort stehen die Flüchtlinge meist ohne Wohnung und Arbeit da. Viele Kantone verlangen eine Kriegssteuer von den Rückkehrern oder verweigern ihnen die melderechtliche Registrierung, ohne die sie keine humanitäre Unterstützung bekommen.

Das ist nicht akzeptabel. Aber natürlich gibt es solche Fälle, auch in neuen Varianten. Den bosnischen Behörden haben wir klar gesagt: Wer Kriegssteuern erhebt, für den wird es keine Hilfen der internationalen Gemeinschaft geben, da geht der Geldhahn zu.

Zweidrittel der bosnischen Flüchtlinge in Deutschland stammen aus der Republika Srpska. Einige Bundesländer stehen auf dem Standpunkt, diese Menschen könnten zwangsweise in die bosnisch-kroatische Föderation zurückgeschickt werden. Geht das?

Diese Frage beantworte ich mit einem klaren Ja. Aber ein Urübel der Diskussion in Deutschland ist doch, daß wir uns nicht auf das konzentrieren, was wir im Augenblick machen können. Warum müssen wir uns Fälle anlachen, die besonders schwierig sind? Wenn man Leute aus der Srpska abschiebt, müßte man jeden einzelnen Fall sehr genau prüfen. Und das ist doch nicht das, was den Menschen wirklich hilft. Da haben ganz andere Dinge Priorität.

Welche Prioritäten setzen Sie?

Wir müssen der Zahl, die das UNHCR genannt hat, 100.000 Rückkehrer bis zum Jahresende, möglichst nahe kommen. Dann hoffe ich, daß es uns gelingt, einige Modelle für die Rückkehr von Muslimen und Kroaten in die Republika Srpska zu implementieren, die Keimzellen sein könnten. Für den Tag X, den Zeitpunkt, wo sich die politische Großwetterlage in der Srpska ändert, müssen wir auf ein Hilfsprogramm vorbereitet sein. Unter dem Strich bin ich eher zuversichtlich. Natürlich gibt es immer wieder Rückschläge wie den Anschlag in Mostar oder diese scheußlichen Übergriffe in Jajce. Aber ich kann auch zehn Punkte auflisten, wo sich die Parteien und Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina in den letzten Wochen geeinigt haben. Allein daß die Wahlen so über die Runden gegangen sind, hat hohe Bedeutung. Da hat die internationale Völkergemeinschaft im Vorfeld Druck gemacht auf Zagreb und Belgrad, und das war ein richtiger Ansatz. Auch daß wir in allen Kantonen zu einer gemeinsamen Polizei gekommen sind, ist doch eine Riesengeschichte. Interview: Vera Gaserow