Nicht ohne meinen eigenen Stoff

■ Und der Kongreß tanzt doch: In der Akademie der Künste diskutieren die "Neuen Produzenten" des internationalen Films über ihre Arbeit und ihr Selbstverständnis - ein Vorbericht plus ein Gespräch

Der Drehbuchautor und der Regisseur machen die Kunst, der Produzent besorgt Geld und Organisation. Das ist die klassische Aufgabenverteilung beim Filmemachen, wie sie von Publikum, Filmwissenschaft und auch von der Branche selbst gesehen wird. Doch seit einigen Jahren, so die Beobachtung der Organisatoren des Kongresses „Die Neuen Produzenten“ an der Akademie der Künste, hat sich eine neue Generation in der Branche etabliert, die ihre Rolle anders definiert. Diese „Creative Producers“ suchen Stoffe selbst aus und sind in jeder Phase der Umsetzung beteiligt. Sie begeistern sich für ihre Filme, und wenn es gut läuft, setzen sie Trends. „Diese Art von Produzenten können für den Film eine ähnliche Rolle haben wie die Kuratoren für die Kunst: ein Aspekt, der auch in der Filmwissenschaft bislang nicht beachtet worden ist“, meint Ulrike Rösen von der Akademie der Künste. „Bei manchen funktioniert der Name des Produzenten oder der Produzentin mittlerweile als Gütesiegel, ähnlich wie bei Plattenlabeln oder Verlagen: Er steht für ein Konzept, eine inhaltliche oder ästhetische Linie.“

Die Akademie der Künste hat internationale Vertreter dieses neuen Typs von ProduzentIn dazu eingeladen, sich über ihr künstlerisches Selbstverständnis und internationale Marktstrategien auszutauschen. Aus Frankreich kommt Carole Scotta, die mit „Ma Vie En Rose“ in diesem Jahr in Cannes einen großen Überraschungserfolg gelandet hat; aus London sind Julie Baines und Sarah Daniel angereist, zwei Vertreterinnen des New British Cinema. Mit James Schamus ist einer der erfolgreichsten Produzenten aus dem amerikanischen Independent-Bereich dabei, der mit Regisseuren wie Ang Lee („Hochzeitsbankett“, „Eat Drink Man Woman“) oder Hal Hartley („Flirt“) über die Phase der Low-Budget- Produktionen bereits weit hinaus ist. Deutsche Vertreter sind Karl Baumgartner (Pandora Film), Thomas Wöbke und Jakob Claussen („Nach fünf im Urwald“, „Jenseits der Stille“) und der deutsche Partner von James Schamus, Martin Hagemann von Zero Film, Berlin (Koproduktionen für Jan Schüttes „Auf Wiedersehen Amerika“ und Hal Hartleys „Flirt“; eigene Produktionen waren unter anderem „A Tickle in the Heart“ von Stefan Schwietert und „Mutter und Sohn“ von Aleksandr Sokurov). Auch der „Urvater“ des engagierten Produzenten in Deutschland, Bernd Eichinger, jetzt im Mainstream angelangt, hat sich angesagt. elb

taz: Wer macht was bei Zero Film?

Martin Hagemann: Mein Partner Thomas Kufus ist Regisseur und Produzent, ich produziere nur und wollte auch nie Regisseur werden. Mich hat immer die Schnittstelle zwischen dem Ökonomischen und dem Inhaltlichen interessiert. Und dadurch, daß wir uns hier in einem Büro gegenübersitzen, wird genau diese Schnittstelle oft diskutiert. Wir glauben, daß es an der Zeit war, neben Regisseur und Autor einen genauso starken Produzenten zu stellen, der zwischen Ökonomie und Anspruch mitentscheidet.

Warum lieber Produzent?

Für mich ist Produzieren der umfassendste Beruf in diesem Medium. Ich habe von Anfang an mit den Inhalten zu tun, manchmal früher als die Regisseure, weil wir teilweise auch Stoffe entwickeln, für die es noch gar keinen Regisseur gibt. Und wenn die Regisseure schon längst neue Filme machen, bin ich dabei, den Film irgendwo aufs Festival zu bringen, zu verkaufen.

Was ist Ihr Konzept?

Es ist banal, aber trifft zu: Wir wollen die Filme machen, die wir auch selbst auf der Leinwand sehen wollen. Das bedeutet, Dokumentarfilme weiter im Kino zu halten und Autorenfilme zu produzieren. Wir arbeiten daran, daß sich im Publikum die Basis für diese Filme verbreitert. Für uns heißt das, daß wir nicht den einen Film machen wollen, mit dem man alles beweisen kann, sondern daß wir kontinuierlich arbeiten. Mit jedem Film muß man ein Stück weiterkommen.

Also keine ökonomischen Kamikaze-Aktionen im Dienst der Kunst?

Nein. Regisseure wollen immer schnell loslegen, auch bevor die Finanzierung steht. Aber weiterarbeiten und damit künstlerisch weiterkommen kann man nur, wenn die ganze Firma auf einigermaßen sicheren Füßen steht und man sie nicht mit jedem neuen Film riskiert; und das ist mein Job hier.

Fühlen Sie sich wirklich als Teil einer neuen Generation?

Ja. Natürlich sind in Deutschland immer noch 80 Prozent der Produzenten nur Auftragsproduzenten, meist fürs Fernsehen, die niemals auf die Idee kommen würden, etwas auf eigene Faust zu entwickeln. Aber seit fünf, sechs Jahren gibt es immer mehr, die so arbeiten wie wir. Das sind alles Leute zwischen 30 und 40, die Geschmack haben, die wissen, wo der Kinomarkt wie bedient werden kann, und von denen ich glaube, daß die eine gute Zukunft haben. Interview: Elke Buhr

Filme: heute, 20 Uhr, „Shooting Fish“; morgen, 20 Uhr, „Ma Vie En Rose“; 22 Uhr, „Butterfly Kiss“