Wer sich nicht wehrt

■ Jede Menge Konzepte in Sachen Frauenpolitik im Filmbereich: Ein Rückblick auf die Veranstaltung „Frauen-Film-Festivals in Europa 1973–1997“ im Kino Arsenal

Schon kurz nach Beginn war klar, dieses erste Berliner Festivaltreffen würde keine Leistungsschau wohlfeiler Feminismen werden. Keine Manifeste wurden vorgetragen, keine Grundsatzerklärungen abgegeben, dafür war die Retrospektive „Frauenfilm-Festivals in Europa 1973–1997“ im Kino Arsenal eine Insiderinnen-Tagung mit vielen offenen Diskussionen und – ganz generell gesprochen – einer Menge heterogener Konzepte in Sachen Frauenpolitik im Filmbereich.

Da konnte eine der Leiterinnen des Festivals schon mal konstatieren, ihr sei der Feminismus „irgendwo zwischen den Achtzigern und Neunzigern etwas abhanden gekommen“ – ob sie jetzt eine Opportunistin sei, frage sie provokant sich und das versammelte Publikum. Immerhin bezogen sich die Organisatorinnen auf Positionen, wie sie Claire Johnston in ihrem grundlegenden, 1973 erschienenen Buch „Women's Cinema as Counter Cinema“ vertritt. Johnston sah seinerzeit die (frauen-)filmtheoretischen und politischen Ansätze der Frauenbewegung als unabdingbare Einheit an.

Andere Eingeladene, wie die gestandenen Damen des „International Women's Filmfestival in Minsk“, wollten soweit heute gar nicht mehr gehen. Sie setzten vielmehr auf Pragmatik. Das belorussische Festival wurde 1991 in der Tauwetterphase der Perestroika gegründet. Zeitgleich schlossen sich die sechs Initiatorinnen des Minsker Filmfestes – allesamt Dramaturginnen, Kamerafrauen und Regisseurinnen – zum Filmstudio „Tatjana“ zusammen.

Benannt nach der Schutzpatronin der Knäste, war die Motivation der Gründerinnen damals jedoch eher die einer berufsständischen Organisation. Auch wenn sie zugeben, daß heute unter dem Regime Lukaschenko längst nicht nicht genügend Frauen in professionellen Schlüsselpositionen sind, ist die Zeit staatlicher Zensureingriffe doch vorbei. Noch vor nicht allzu langer Zeit brachte jemand wie die Regisseurin Kira Muratowa im Durchschnitt nur einen von drei Filmen ins Kino. Sie jedenfalls, so konstatierten Irinana Pismenaja und Ella Milowa selbstbewußt, hätten die Chancen, die die Aufbruchstimmung Anfang der neunziger Jahre bot, rechtzeitig und erfolgreich genutzt. Oder andersherum ausgedrückt: Wer nach den Zeiten der „Küchengespräche“ und den in der SU unmöglichen Projekte diese Chance nicht wahrgenommen habe, sei selber schuld.

Einen Sonderweg beschrieben auch die angereisten Teilnehmerinnen aus Finnland. Obwohl das „Nordic Glory Festival“ Jyvskyl, nahe dem finnischen Turku im Februar dieses Jahres zum ersten Mal stattfand, sorgte dessen Programmbeitrag „Gracious Curves“ – eine Dokustudie über Altern, Mutterschaft und wogender Weiblichkeit – für hitzige Kontroversen. Es zeigte sich: Da gibt es offenbar nationale Eigenheiten und hierzulade abgehakte feministische Positionen, die für die Festivalcrew um Leena Laaksonen noch relevant sind. Marginalien? Wohl kaum: Schließlich bezieht das Festival Länder von Island bis Norwegen ein und ist das erste dieser Art in Skandinavien.

Doch auch im alten Westeuropa existieren erhebliche strukturelle Unterschiede, das zeigte sich in den vergangenen Tagen allemal und besonders deutlich beim Ländervergleich Frankreich/Deutschland. Im Gegensatz zu den bundesdeutschen Festivals „Feminale“ und „femme totale“, gegründet 1984 und 1987, die zweijährlich oder manchmal gar nicht stattfinden, haben es die Französinen besser. Während in Köln die „Feminale“ vor unsicherem finanziellem Hintergrund operieren muß und mittleweile wieder weitestgehend auf ehrenamtlicher Basis funktioniert, arbeitet das französische Festival in Créteil in der Nähe von Paris ganzjährig und mit kommunalen und staatlichen Subventionen.

Ob es nun am nationalen Cineasmus liegt, wie die Organisatorinen keck meinen, sei einmal dahingestellt – jedenfalls ist das dienstälteste unter den europäischen Frauenfilmfestivals inzwischen eine etablierte Institution. Von Anfang an wurde hier eine internationale Wettbewerbssektion installiert, wie überhaupt weitergehende Aspekte wie Vertrieb und professionelle Anbindung zu den Essentials des französischen Festivals gehören. Die Leiterin des Festivals, Jackie Buet – seit den Anfängen 1978 dabei –, betitelte ihr Filmfest denn auch selbstironisch als „Cannes des Frauenfilms“.

Berührungsängste, will sagen: die Scheu junger Filmemacherinnen, ihre Filme auf einem Frauenfestivals zu präsentieren, sind hier weitgehend unbekannt. Im Gegenteil: Stars wie Catherine Deneuve oder Jane Campion geben sich die Ehre. Zum zwanzigjährigen Jubiläum im kommenden Jahr ist eine Sonderreihe mit Filmen geplant, die das Prädikat Kultfilm verdienen. Da spricht der mitgebrachte „Deutschland, bleiche Mutter“ von Helma Sanders-Brahms wohl für sich. Gudrun Holz