Zwischen den Rillen
: Richtung überall

■ Beats International: Cornershop und The Righteous Men

Was der Werbespot sagen will, wird jeder sofort verstehen. Eine Party wie jede andere, und es ist mal wieder öde wie nix. Kurz bevor nichts mehr zu wollen ist, hat jemand die rettende Idee und zaubert ein glückspendendes Erfrischungsgetränk auf den Tisch: Icebreaker. Und Alkohol ist auch noch drin. Ein paar Schlucke später, und die Stimmung geht von null auf hundert.

Ein irgendwie solides Werbekonzept, aber nicht wirklich erwähnenswert, tanzte nicht die gesamte Partygesellschaft plötzlich verzückt zu Cornershops altem Gassenhauer „6 am Jullandar Shere“. Wie kommt der Song in den Spot? Und dabei geht es nicht um die Frage, ob es für eine linke Band redlich ist, einen ihrer Songs lukrativ für Werbung zu verhökern. Wenn ihn sonst keiner kauft, von irgend etwas muß man ja leben – die Zeiten sind halt so. Die Frage ist: Wie kam der Geistesblitz zum zuständigen Art-director, ausgerechnet ein Stück Punjab-Folk mit Sitar und Quietschgeräuschen und Vocoder-verzerrtem Gesang in irgendeiner Sprache des indischen Subkontinents als flotte Partymusik zu identifizieren? Weil sie genau das eben ist.

Und wieso ist da nicht schon vorher jemand darauf gekommen? Das ist allerdings eine gute Frage. Daran könnte man dann auch das neue Cornershop-Album „When I Was Born For The 7th Time“ ankoppeln. Effekt: Was bei der Message des Spots nur als Mehrwert abfiel, gibt es diesmal ohne Umschweife. Cornershop konkret: „When we say party we mean it.“

Und auf dieser Party gibt es nicht nur zu gleichen Teilen Indie-Rock und Punjab-Folk, sondern beinah alles. Genauer HipHop plus Country plus TripHop plus Gitarrenpop plus Becksche Soundfrickeleien plus Ambient plus Krimskrams und und und. Und zwar nicht alles hübsch der Reihe nach, nein, alles wird mit leichter Hand miteinander verwoben.

Das klingt nicht nur lässig, das ist es. Und dazu die Gäste: Allen Ginsberg sagt ein Gedicht auf, The Automator produziert, Paula Frazer (Tarnation) macht in „Good To Be On The Road Back Home Again“ die Sally Timms, schon weil das Stück schwer nach den Mekons der „Honky Tonkin“-Phase klingt, und Justin Warfield (Bomb The Bass) rappt den „Candyman“, das Stück, das sich anhört, als hätte man es den Stereo MCs weggeklaut.

Zusammengefaßt: „The funky days are back again.“ Das weiß jedenfalls Cornershop-Sänger Tjinder Singh. Und für den Rest heißt das, daß man in Zukunft die gängigen Rezeptionsmuster in Sachen Cornershop besser stecken läßt. Von wegen: Das sind Inder, die Indie-Rock machen, weil sie in England geboren sind. Und die – volles Kontrast- pramm – auch Punjab-Folk spielen, dem Erbe ihrer Väter wegen und weil sie eben Inder sind. Was erstens falsch ist und zweitens rassistisch, weil es drittens darauf hinausliefe, alles, was in Cornershops Musik diffus indisch oder asiatisch-orientalisch klingt, quasi naturgegeben zu nehmen und an irgendwelchen Stammbäumen festzumachen, während alles, was britisch klingt, entweder den britischen Bandmitgliedern zuzuschreiben oder aber als angeeignet zu betrachten ist. Da bleibt dann nur noch zu erwähnen, daß bei Cornershop ein Weißer die Sitar zupft.

Aber was hat das alles mit The Righteous Men zu tun? Nichts, jedenfalls fast nicht. Ihr erstes Album „Schwarzes Gold“ läßt sich einwandfrei unter TripHop, Instrumental HipHop oder – warum nicht gleich – unter der Sparte Chemical Beats einsortieren. Und wer jetzt an die Chemical Brothers denkt, liegt immerhin nur zur Hälfte falsch. Soll heißen: Bei den Righteous Men geht es etwas ruhiger zu. Man könnte auch sagen: sensibler, delikater, musikalischer. Und durchaus abwechslungsreich, womit man schon die erste Gemeinsamkeit mit Cornershop am Wickel hätte. Eine andere Gemeinsamkeit: Was Cornershop zwischen ihre Stücke packen, sind bei den Righteous Men die Stücke selbst. Nur sauberer produziert und technisch besser gebaut. Da fehlt den Stücken dann auch diese gewisse Beiläufigkeit. Zur Party eignet sich „Schwarzes Gold“ jedenfalls nicht, eher für hinterher – zum Ausruhen oder wahlweise zum Aufstehen, aber dabei durch alle Stile, die gerade so im Weg rumliegen. „Morpho- Oscilating-Reso-Gun“ bietet lupenreinen Electro, „Free At Last“ ziert sich ein wenig mit Breakbeats, und wer will, wird in „Return Of The Stronger Man“ sogar ein wenig von der House- Vergangenheit der Righteous Men entdecken.

Den Freunden des überflüssigen Wissens sei gesagt, daß die Righteous Men dereinst ihre erste 12-inch auf Felix Da Housecats Thee Blak Label veröffentlichen. Von dort aus ging es dann Richtung überall. International Beats. Ähnlich wie bei Cornershop. Nur ganz anders. Und beides ziemlich gut. Harald Peters

Cornershop: „When I Was Born For The 7th Time“ (Wiiija/ Alternation/ Intercord)

The Righteous Men: „Schwarzes Gold“ (Kiff SM/PIAS)