Wasserklau wird nicht geahndet

Streit um slowakisches Kraftwerksprojekt an der Donau vor dem Haager Gerichtshof. Umwelt leidet. Richter schlagen einvernehmliche Lösung zwischen Ungarn und Slowaken vor  ■ Von Gudrun Giese

Berlin (taz) – Traurig sieht es am Donauufer im Norden Ungarns aus: Wenig Wasser dümpelt in dem einst fließenden Strom, Wälder sind abgestorben, Tiere aus dem Gebiet verschwunden. Der Grundwasserspiegel ist um mehrere Meter gesunken. Die Ursache liegt jenseits der Grenze, in der Slowakei. Die hatte 1992 ein uraltes Projekt einseitig realisiert: ein Wasserkraftwerk mit dazugehörender Staustufe in Gabčikovo.

Eigentlich wollten sie ja gemeinsame Sache machen, Ungarn und die damalige Tschechoslowakei. 1977 vereinbarten die beiden sozialistischen Bruderländer, gemeinsam die Donau in geordnete Bahnen zu lenken und zwei Wasserkraftwerke, Gabčikovo auf tschechoslowakischer, Nagymaros auf ungarischer Seite, zu bauen. Doch alles kam anders. Ungarn wandte sich 1989, nach der Abkehr vom Sozialismus, auch von dem Großprojekt an der Donau ab. Im Nachbarland wurde jedoch fleißig weitergebaut.

Das Großprojekt in der Slowakei hat verheerende Folgen für Ungarn. Nur noch zehn bis 15 Prozent der ursprünglichen Wassermenge fließen durch die Altdonau, seit das Nachbarland den größten Teil des Flußwassers in einen Zulaufkanal zum neuen Kraftwerk Gabčikovo umgeleitet hat. Der Wasserklau verursacht in Ungarn drastisch abgesackte Grundwasserspiegel, sterbende Auenwälder und schließlich auch deutlich erhöhte Schadstoffanteile im Donauwasser.

Anfang März dieses Jahres trafen sich Vertreter beider Länder vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wieder. Zu klären galt es, ob Ungarn 1989 überhaupt einseitig aus dem Kraftwerksprojekt aussteigen durfte und ob die Tschechoslowakei respektive Slowakei ihren Teil der Anlagen zu Ende bauen durfte.

Die Richter fanden gestern zu einem fast salomonischen Spruch: Beiden Seiten hielten sie Verstöße gegen die Auslegung des Vertrages von 1977 vor. Ungarn mußte Kritik einstecken wegen des einseitigen Ausstiegs aus dem Kraftwerksbau. Die Slowakei wiederum hätte 1992 mit der Umleitung der Donau auf ihr Territorium ebenfalls rechtswidrig gehandelt. Beide Seiten sollten nun weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten, forderten die Richter, um die Ziele des Vertrages von 1977 zu erreichen. Beide Staaten sollten den Staudamm gemeinsam betreiben und dabei Umweltschutzbelange berücksichtigen. Die gegenseitigen finanziellen Ansprüche sollten fallengelassen werden. Allerdings soll sich Ungarn an den Bau- und Betriebskosten für Gabčikovo beteiligen. Entscheidungen des Haager Gerichtshofes sind allerdings nicht bindend.