Der Mann als Marionette

Früher gab es nur den „Spiegel“, heute gibt es richtige Männerzeitschriften wie die neue „GQ“. Das ist eine kleine publizistische Revolution, aber auch eine geschlechtliche?  ■ Von Lutz Meyer

„Ich habe einen ziemlich großen Kopf, der proportional gesehen nicht zu meinem Körper paßt. Was kann ich tun, damit er kleiner oder schmaler wird?“ (Besorgte Leserfrage in GQ)

Was ist bloß schon wieder mit den Männern los? So viele Fragen, soviel Unsicherheit: „Wie wird man Begleiter einer schönen, eleganten Frau?“ „Welcher Duschkopf ist der beste?“, „Baby oder nicht?“, „Gibt es den modernen, italienischen Look auch günstiger?“, „Wie oft muß Mann können?“, „Was tun, wenn Haare sprießen, wo sie nichts zu suchen haben?“ „Woran erkennt man die Qualität einer Krawatte?“ Derlei Fragen stellt und untersucht die neue Männerzeitschrift GQ. Sie müssen sehr verzweifelt sein, die Männer.

GQ (das heißt Gentlemen's Quaterly, kommt aber monatlich) soll die flanellene Männer Vogue ablösen, was der Verlag Condé Nast (Vogue) auch bitter nötig hat, weil deren Auflage auf 50.000 schrumpfte. Mode, weite Welt und Rauchwaren, das war einmal – ein Mythos für eine kleine Gruppe, die Amerika spielte, oder auch England. Auch Esquire, von Burda in den 80ern mit ein wenig Haudraufmachotum, großer Welt und kleinem Sex auf den Markt geschickt, mußte bald wieder verschwinden.

Natürlich gab es auch bisher schon Männerzeitschriften: Playboy, Penthouse, die skrupellose Coupé sowie die ganze restliche Wichspresse. Auf der anderen Seite der Spiegel, TV-Spielfilm und andere Blätter, die den Mann nie im Titel tragen würden, sich aber bei Leserschaft und Anzeigenkunden eindeutig männlich positionierten. Der Mann, so galt es soziologisch wie zeitschriftensegmentmäßig, mag sich so explizit zu seinem Geschlecht gar nicht bekennen. Er zieht, wie ja überhaupt oft, die indirekte Variante vor. Ein männliches Gegenstück zum blühenden Frauenzeitschriftenmarkt hätte demzufolge keine Chance.

Und doch ist einiges in Bewegung gekommen mit den Geschlechterdingen. Das kann feststellen, wer öfter mal in Frauenzeitschriften blickt, die Repräsentanten der in Papier gegossenen weiblichen Wünsche, jedenfalls der öffentlichen. In Allegra, Amica, marie claire oder Petra geht es schon seit geraumer Zeit mehr vom lyrischen zum puren Sex, vom feministisch angehauchten Beschweren zum postfeministisch- weiblichen Verbalchauvinismus – und immer mehr um nackte Körper. Weibliche freilich. Hannelore Schlaffer hat vor einigen Jahren in ihrem klugen Buch „Schönheit“ die kühne These aufgestellt, die Frauenzeitschrift materialisiere sich als gesellschaftlich zulässige Form unzulässigen und unbekannten weiblichen homoerotischen Verlangens. Wenn das stimmt, scheint etwas kurz vor dem Ausbruch zu stehen. Andererseits taucht in der Frauenpresse langsam und zaghaft auch der männliche Körper als Sexualobjekt auf: Vorreiter hier Petra und Amica.

Interessanter aber bleibt's bei den Männern. Da kam im letzten Jahr mit Men's Health (MH) eine Mischung aus Fitneß, Lebenshilfe, Psycho, gebremstem Sex und Küche auf den Markt (eine typische Frauenmischung also) und schlug ein wie eine Bombe. Ausgerechnet dem Stuttgarter Motor-Presse- Verlag (auto motor und sport) schien zu bangen, daß seine Machokundschaft erst verweichlicht und dann verschwindet. Er erfand das Auffangobjekt, bekam auf Anhieb 170.000 Auflage und neben Focus einen Aufsteigerplatz im Anzeigengeschäft. So erfolgreich, daß Condé Nast MH nun mit GQ seit vergangener Woche imitiert. Eine kleine publizistische Revolution und eine größere geschlechtliche.

Doch die Sache mit der Männlichkeit geht langsam voran. Während sich die Frauenpresse ironisch beflissen und frappierend offen dem weiblichen Körper widmet, dürfen sich Männerleiber im nahezu humorfreien MH nur in der sportlichen Verzerrung der Fitneßstudiowelt zeigen: „Die Stütze, die stark macht – Oberkörperübungen“ (MH). Obgleich bei der Männerkörperschau seit Adonis viel stärker als bei den Frauen die Homoerotik dominiert, mutet sie sich die Moderne von jeher nur im Zustand sportlicher Qual zu.

Und ohnehin geht es in den neuen Männerzeitschriften weniger um Männer als vielmehr um die Regeln der Angestelltenwelt, Ausgehen und Büro. Wie schneidet man eine Artischocke auf? Wie faltet man Servietten? Diesbezüglich ist MH auf dem Stand von Brigitte in den späten 60ern. Überhaupt scheinen die Leser dieses Blattes zutiefst Sorgen zu haben, wie man sich benehmen soll. Über weite Strecken lesen sich die Männerblätter deshalb wie jene Gesellschaftseinführungsbücher des 19. Jahrhunderts, die den aufsteigenden Bürgern die Regeln der Reichen nahebrachten. Jetzt geht es darum, die aufstiegsorientierten Handy-Schichten in die Business class einzuführen.

Und es geht natürlich um Frauen, die einerseits als Softpornographie ins Blatt geraten, andererseits als Bedrohung: „Wie funktionieren Frauen?“, „Die fiesen Tricks der Frauen“, „Wie werden Männer benutzt?“. Der Mann taucht nur als arme, schwitzhändige, gedemütigte Kreatur auf, als kleine Marionette wie in einer MH-Fotostrecke in den Händen schöner, selbstbewußter Weiber, ständig den Plan witternd, „mir als Mann eine Dauerkarte für die Anklagebank anzudrehen“. Kein Wunder, daß er sich soviel mit Themen wie Sodbrennen, Blasen- und Prostataproblemen, Schuppen und Übergewicht befassen muß, die den üppigsten Raum in der Männerpresse einnehmen.

„Wie lange währt ein Cowboyleben“, fragen bang die MH-Autoren, zag geht der männliche Gang, wenig Träume erlaubt er sich. Und wenn, dann werden sie geerdet in der Büro- und Fitneßstudiowelt. Wenn Männerträume in Hochglanzpapier gegossen werden, kommt eben immer noch nicht viel mehr dabei heraus als eine Schlaffi-Version des Playboy.