„Wir werden keine geklauten Waffen aufkaufen“

■ Albaniens Innenminister Neratin Ceka über die Sicherheitslage im Land, über Ex-Präsident Berisha und die Pläne der Regierung, jene Bürger zu entschädigen, die ihr Geld im Pyramiden-System verloren

Neratin Ceka (56), von Beruf Archäologe, war nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1991 zunächst Vizepräsident der Demokratischen Partei Sali Berishas. Doch schon im Sommer 1992 gründete er mit anderen Parteidissidenten die Demokratische Aktion, deren Chef er bis heute ist. Nach dem fulminanten Wahlsieg der Sozialistischen Partei am 29. Juni 97 wurde er Innenminister. Der kommunistischen „Partei der Arbeit“, die das Land 45 Jahre lang regierte, gehörte er nie an.

taz: Herr Minister, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sagen: Bevor Gelder nach Albanien fließen, muß erst mal die Sicherheit im Land wiederhergestellt werden.

Ceka: Abgesehen von sporadischen Vorfällen kontrollieren wir sämtliche Straßen des Landes, und abgesehen von einigen wenigen Orten, in denen die Polizei immer noch katastrophal ausgerüstet ist, ist die Lage sicher. Bis Mitte Oktober werden wir die meisten Waffen eingesammelt haben.

Das Verteidigungsministerium erklärte jüngst, von 652.000 gestohlenen Gewehren seien erst 24.000 zurückgegeben worden. Das sind nicht mal fünf Prozent!

Es sind mehr Waffen abgegeben worden. Und viele wurden schon während der Unruhen nach Italien, Griechenland und in die Balkanländer verscherbelt. Andere haben die Albaner nach alter Tradition bereits irgendwo vergraben. Ich gehe davon aus, daß noch bis zu 400.000 Waffen zirkulieren.

Was halten Sie denn von dem Vorschlag, den Leuten die Waffen abzukaufen?

Wir werden keine geklauten Waffen aufkaufen. Da kann ja jeder den Staat berauben in der Hoffnung, daß der ihm die gestohlene Ware wieder abkauft.

Macht sich denn strafbar, wer eine Waffe besitzt?

Natürlich. Wer mit einer Kalaschnikow im Auto angetroffen wird, riskiert Gefängnis.

Sind die Komitees der Aufständischen, die sich bewaffnet haben und die allgemeine Bewaffnung gefördert haben, heute noch ein Machtfaktor?

Die Komitees haben nicht mehr die politische Bedeutung, die sie während der Unruhen hatten.

Sie lassen sie also in Ruhe?

Ja, sie richten sich ja nicht mehr gegen die Staatsgewalt.

Nach wie vor hat Ihre Regierung Schwierigkeiten, dem Gesetz Geltung zu verschaffen. Ohne polizeiliche Erlaubnis demonstrieren etwa Ex-Präsident Berisha und seine Anhänger täglich auf dem Skanderbeg-Platz gegen die angeblich kommunistische Regierung, deren Innenminister Sie sind. Ist Ihnen das egal?

Egal ist es uns nicht. Aber Sie müssen wissen, daß Berisha seinerzeit Demonstrationen auf dem Skanderbeg-Platz verboten hat. Dort durften damals nur seine Anhänger demonstrieren, die Opposition wurde mit Knüppeln vertrieben. Wir wollen zeigen, daß wir nicht wie Berisha sind, wir haben Hemmungen, die Polizei wie zu Zeiten des Kommunismus und zu Zeiten Berishas gegen die Opposition einzusetzen.

Vor fünf Monaten, als Sie noch in der Opposition waren, sagten Sie, Berisha habe den Plan gehabt, einen Krieg gegen den Süden des Landes zu entfesseln. Er sei zudem für den Tod von Hunderten von Menschen verantwortlich. Er gehöre vor Gericht gestellt. Sind Sie immer noch der Ansicht? Allerdings. Berisha hat über das Innenministerium mehr als 4.000 Personen bewaffnet. Das ist gegen das Gesetz, die Rekrutierung von Reservisten obliegt allein dem Verteidigungsministerium. Er hat eine Offensive gegen den aufständischen Süden geplant mit Luftwaffe, Panzern und auch chemischen Waffen. Das Verteidigungsministerium und die Armeeführung haben das abgelehnt. Wir haben Dokumente über diesen Plan. Eine parlamentarische Kommission muß diese begutachten und gegebenenfalls eine Anklage wegen Amtsmißbrauchs fordern.

Berisha hat im Süden den Shik eingesetzt. Ist dieser Geheimdienst, der in bester Tradition der kommunistischen Sigurimi stand, aufgelöst worden?

Nein, wir haben die Kader ausgewechselt. Der Geheimdienst, der ein Instrument der Demokratischen Partei Berishas war, wird entpolitisiert. Ähnliches gilt auch für die Polizei. Die wird nun von Italienern im Rahmen der Westeuropäischen Union neu ausgebildet. Deutschland hilft bei den Programmen zur Ausbildung in der Militärakademie. Unsere Armee hatte sich ja aufgelöst. Mit Griechenland wollen wir gemeinsame Grenzkontrollen einrichten und mit Italien eine Küstenwache.

Da sind Sie ja für die nächsten Unruhen gewappnet. Ministerpräsident Fatos Nano hat im Wahlkampf versprochen, die Leute würden ein Maximum ihres Geldes, das sie bei den zusammengebrochenen Finanzfirmen angelegt haben, zurückerhalten. Nun wird schon die Schließung der Vefa, der größten Holding, ins Auge gefaßt, die seit Monaten Hunderttausenden von Kleinsparern keine Zinsen mehr ausbezahlt. Kommt es bald zum nächsten Aufstand?

Die Regierung will Transparenz schaffen und dann, wenn feststeht, wieviel Geld in diesen Firmen steckt und wieviel geraubtes Geld noch aufzutreiben ist, die Leute auszahlen. Ich gehe davon aus, daß sie etwa die Hälfte ihrer eingelegten Guthaben wiederbekommen.