piwik no script img

Etwas besseres als Disney finden wir allemal

■ Worte, Wurst, Weltpremiere: Die furchtlosen 1.304 im Bremer Kongreßzentrum

„Bremen ist auch nicht mehr, was es früher einmal war!“warnte eine Eule die „Furchtlosen Vier“vor dem Einzug in die Stadt, und dieser gar nicht komisch gemeinte Satz erntete natürlich die meisten Lacher. Die Uraufführung eines großen Kinofilms hat es in Bremen noch nie gegeben, aber bei der deutschen Zeichentrickversion des Märchens von den Bremer Stadtmusikanten bot sich dies natürlich an. Und so kamen am Sonntag abend rund 1.300 geladene Gäste ins Kongreßzentrum (leider viel mehr hochwichtige Erwachsene als Kinder), um sich anzusehen, was von einem deutschen Märchen übrigbleibt, wenn es auf Biegen und Brechen für ein internationales Publikum modernisiert wird.

Auf die kostenlose Bremen-Werbung durch den Film, die der Bremer CDU-Chef Bernd Neumann in seiner oft unfreiwillig komischen Begrüßungsrede heraufbeschwor, sollten die einheimischen Hoteliers nicht unbedingt hoffen. Denn unsere Stadt wird hier als eine düstere Mischung aus alten Fachwerkhäusern und futuristischen Fabrikgebäuden dargestellt, in der der tyrannische Wurstfabrikant Dr. Gier herrscht. Dieser hat das Lachen und die Musik verboten, und er zwingt unsere vier Stadtmusikanten mit einem Knebelvertrag dazu, Werbeliedchen für die Würstchen zu singen.

Sie merken schon, das hört sich kaum noch wie Grimms Märchen an. Dabei beginnt der Film ganz konventionell mit dem „Es war einmal“der Erzählerstimme und den vier Viechern, die von ihren Besitzern geschlachtet, ausgestopft oder eingeschläfert werden sollen, und sich mit dem Satz „Etwas bessres als den Tod finden wir allemal“zusammen auf die Reise nach Bremen machen. Esel Fred, Hund Buster, Katze Gwendolyn und Hahn Tortellini, für den internationalen Markt multi-national benannt, sind in schönster Disney-Tradition menschelnde Tierfiguren, ganz traditionell mit dem Bleistift gezeichnet. Und für den ersten Teil des Films folgen sie auch mit einigen modischen Abweichungen und liebevoll, komischen Details dem Erzählstrang des Märchens. Der Bruch erfolgt dann zugleich stilistisch und erzählerisch. Denn während plötzlich computeranimierte Stahlwesen und Maschinen neben den netten Tierchen auf der Leinwand auftauchen, die eher an Filme wie „Terminator“oder „Metropolis“erinnern, finden sich unser furchtlosen Vier in einer Horrorgeschichte mit finsteren Verliesen und einem nach dem Vorbild von Dr. Mabuse gezeichneten Superfiesling wieder. Diese Brüche sind eindeutig zu grob und unvermittelt, und für kleine Kinder ist die zweite, fast apokalytisch anmutenden Hälfte eindeutig zu dunkel und angsteinflößend. Am Schluß gelingt den Regisseuren Eberhard Junkersdorf, Jürgen Richter und Michael Coldewey dann auch der Bogen zurück zum Märchen nicht mehr: Zwar erschrecken die vier Tiere übereinandergestellt die Bösewichte wie in der Vorlage, aber die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse wird dann dadurch entschieden, daß die Katze die Fernbedienung des Konzernchefs in die Tatze bekommt.

Filmtechnisch braucht sich „Die furchtlosen Vier“nicht vor den Disney-Produktionen zu verstecken, und auch das Erfolgsrezept, die Attraktivität des Films durch poppige Songs zu erhöhen, haben sie von Hollywood übernommen. Es bot sich ja auch an, Esel, Hund, Katze und Hahn jeweils ein Lied alleine und einige weitere zusammen singen zu lassen. Nur kann Mario Adorf noch so tief „Ia, Ia“schreien; der Esels-Blues, der in der Originalfassung von keinem geringeren als B.B. King gesungen wird, klingt bei ihm nur traurig und gar nicht cool. Besser zog sich da schon Sandra Schwarzhaupt als Katze mit ihrem Tränendrücker-Song „Ich bin so allein!“aus der Affäre, und als sie nach der Vorführung das Lied noch einmal live auf der Bühne trällerte, war dies neben dem fürstlichen Bufett der Höhepunkt des Rahmenprogramms.

Wilfried Hippen

„Die Furchlosen Vier“läuft ab Donnerstag in den Kinos; das Messe-Centrum Bremen zeigt eine Ausstellung über die Entstehung des Films

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen