Kein Wort über Menschenrechte

■ Die Polizei redet seit Jahren mit türkischen Polizeioffizieren über die Ausbildung von Ordnungshütern. Menschenrechtsverletzungen der türkischen Behörden werden nicht erwähnt

Die Polizei unterhält seit vier Jahren regelmäßige Kontakte zur türkischen Polizei – doch die Einhaltung der Menschenrechte steht bei diesen Gesprächen nicht auf der Tagesordnung. Bisheriger Höhepunkte der Partnerschaft: Innensenator Jörg Schönbohm empfing vor zwei Wochen 15 hochrangige türkische Polizeioffiziere. Nach Angaben der Innenverwaltung wurde im Rahmen des Besuches über Ausbildungsprogramme debattiert und Ausbildungseinrichtungen besucht. Auch habe der „Umgang der Polizei mit Ausländern in Berlin“ eine Rolle gespielt, doch politische Gespräche seien nicht geführt worden. Nach Angaben des grünen Abgeordneten Riza Baran hatte die türkische Presse berichtet, daß darüber hinaus über Kriminalitätsbekämpfung und den Einsatz von Computertechnik im Polizeibereich gesprochen wurde.

Mißhandlungen und Folterungen durch die türkische Polizei sind in der Vergangenheit wiederholt von türkischen und internationalen Menschenrechtsgruppen kritisiert worden. Erst Ende September verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Türkei zur Zahlung von Schmerzensgeld an eine junge Kurdin. Die Frau war durch Polizisten gefoltert und vergewaltigt worden. Das Gericht rügte dabei auch die ungenügenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Dieses Thema wurde allerdings mit den Besuchern nicht erörtert. Selbst die Inhaftierung der Berlinerin Güllu Selcuk durch die Antiterroreinheit der Istanbuler Polizei sei nicht zur Sprache gekommen, erklärte Schönbohms Pressesprecher Thomas Raabe. Der Grund: „Mir war der Fall gar nicht bekannt.“

Kritik am Vorgehen des Innensenators übt der bündnisgrüne Abgeordnete Norbert Schellberg. „Ich werfe Schönbohm nicht vor, die türkischen Polizeioffiziere empfangen zu haben. Aber er hätte die Menschenrechtssituation in türkischen Polizeigewahrsamen deutlich ansprechen müssen.“ Schönbohm hatte aber in seiner Begrüßungsansprache lediglich darauf hingewiesen, daß Minderheiten in Deutschland einen anderen Stellenwert hätten als in der Türkei.

Kontakte zwischen Berliner und türkischen Polizisten finden seit 1993 regelmäßig statt. Laut Innenverwaltung gehen sie auf eine 1989 geschlossene Städtepartnerschaft zwischen Istanbul und Berlin zurück. Der Austausch solle Schönbohm zufolge „zu einer objektiveren und vorurteilsfreieren Meinungsbildung sowie zur Akzeptanz anderer Lebenswelten und Mentalitäten auf beiden Seiten führen“. Die „Antiterroreinheit“ eben dieser Istanbuler Polizei hatte die Berlinerin Güllu Selcuk in Polizeigewahrsam genommen und gefoltert.

Bereits 1993 und 1995 gab es Austauschprogramme für einzelne Beamte aus dem mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst, die jeweils mehrere Wochen dauerten. Berliner Polizeibeamte besuchten Polizeidienststellen in Istanbul, Ankara und Antalya, türkische Polizisten im Gegenzug Polizeidienststellen in Berlin und Brandenburg sowie das Büro der Ausländerbeauftragten Barbara John.

Die Ausländerbeauftragte Barbara John, aus deren Haushalt der erste Polizeiaustausch 1993 teilweise finanziert wurde, begrüßt die Kontakte. Sie wünscht mehr Polizeikontakte, damit die türkischen Polizisten sehen, „daß Rechtstreue nicht durchgesetzt werden kann, indem man die Menschen foltert“. Den Berliner Ordnungshütern würden im Gegenzug interkulturelle Kenntnisse vermittelt. Marina Mai