Ingenieure gegen den Schweinezyklus

■ Jugendliche sind nicht unflexibel, wenn es um eine Lehrstelle geht. Und Berufsexperten räumen Uni-Absolventen größere Chancen ein

Berlin (taz) – Die Chancen der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Besonders deutlich wird das bei der Zahl der Lehrstellen: Im August 1992 gab es noch 76.000 Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten; fünf Jahre später, im August 1997, stieg diese Zahl auf 152.000 an.

Daß immer mehr Jugendliche keine Lehrstelle bekommen, liegt nicht an ihrer mangelnden Flexibilität. Eine Umfrage der Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei ostdeutschen Lehrstellen-Kandidaten ergab, daß über die Hälfte bereit ist, eine Alternative zum Wunschberuf zu akzeptieren — und dies auch macht.

Hinter dem Anstieg der Lehrstellensucher spiegelt sich vielmehr der massive Abbau von Ausbildungsplätzen in Handwerk und Industrie: Nach den Angaben der Bundesanstalt für Arbeit wurde in den letzten fünf Jahren knapp ein Drittel aller betrieblichen Ausbildungsplätze gestrichen. Gleichzeitig stiegen die Bewerberzahlen um fast fünfzig Prozent.

Für die Abiturienten sind die Berufsaussichten weniger leicht einzuschätzen als für Haupt- und Realschüler, weil es kein klassisches Muster für ihre Ausbildung nach Ende der Schulzeit gibt. Ein Trend, der breits einmal in den achtziger Jahren festzustellen war, zeigt sich inzwischen wieder: Immer mehr Abiturienten, so hat das Bundesinstitut für Berufsbildung festgestellt, suchen zunächst einen Ausbildungsplatz in einem Betrieb. Doch gefragt sind, anders als in den Achtzigern, nicht mehr die „alternativen“ Handwerkerberufe wie Schreiner oder Goldschmied, sondern Jobs mit wirtschaftlicher Perspektive. So stieg die Abiturientenquote bei den kaufmännischen Lehrstellen zwischen 1991 und 1996 von 55 auf 60 Prozent. Bei den Bankkaufleuten zeigt sich eine ähnliche Entwicklung: Inzwischen haben 62 Prozent aller Banklehrlinge Abitur. Vor fünf Jahren waren es noch 56 Prozent.

Die Berufschancen von Hochschulabsolventen beurteilen Experten insgesamt besser als die der Jugendlichen, die eine Lehre absolviert haben. Allerdings werden die allgemein besseren Aussichten getrübt durch das „Schweinezyklus-Problem“: Die Warnungen der Berufsberater vor manchen Studiengängen beherzigen regelmäßig so viele Jugendliche, daß im angeblichen Problembereich bald ein Mangel an qualifizierten Uni- Absolventen auftritt.

So sank die Zahl der Studienanfänger in den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik zwischen 1992 und 1995 um fünfzig Prozent, weshalb der Forschungsminister inzwischen wieder fordert: „Mehr Ingenieure braucht das Land.“ Felix Berth