Gastkommentar: Islamwoche – Dialog ohne Alternative
■ Erfolg des Pragmatismus gegen die fundamentalistischen Provokateure
Gewiß, in Algerien, im Iran, in Afghanistan und anderswo werden im Namen des Islam schreckliche Verbrechen gegen Menschen und die Menschlichkeit begangen. Aber: Welche Bremer Musliminnen und Muslime sind an diesen Verbrechen direkt oder indirekt beteiligt?
Gewiß, im Umgang mit ideologisch oder religiös geschlossenen und formierten Gruppen ist zu allen Zeiten (auch während der Islamwoche) Vorsicht vor Verschleierung, Täuschung und Propaganda am Platze gewesen. Aber: Bedeutet der berechtigte Vorsatz, nicht naiv sein zu wollen, gleichzeitig, das Gespräch, die zum Dialog ausgestreckte Hand zurückzuweisen?
Gewiß, Teile der Muslime, auch in Bremen, grenzen sich in letzter Zeit vermehrt von ihrer deutschen Umgebung ab. Aber: Hat dies nicht erstens auch mit der integrationsfeindlichen Haltung der Einheimischen und ihren ausgrenzenden Ausländergesetzen zu tun? Und ist es zweitens wirklich ein ernst gemeinter Rat, auf eine teilweise Selbstisolation mit aktiver Ausgrenzung durch uns Deutsche zu reagieren?
Immer weiter könnte man so über die 1. Bremer Islamwoche räsonnieren. Aber wie immer man es auch dreht und wendet, man wird immer zu dem Schluß kommen müssen, daß der vom Bürgermeister, der Vorbereitungsgruppe und den islamischen Gemeinden gewählte Weg des Dialogs, des Herausholens aus den versteckten Winkeln der Bremer Stadtteile, des Vorstellens der Vielfalt der islamischen Welt in der bremischen Öffentlichkeit ohne Alternative ist. Wer von den KritikerInnen würde sich denn wirklich in der Lage sehen, die Konsequenzen eines anderen Kurses der Konfrontation und der Zuspitzung für unser Gemeinwesen zu übernehmen? Und wären die, die sich jetzt gegen den Dialog mit dem Islam exponieren, auch wirklich da, wenn es gälte die Scherben eines anderen Kurses (das enttäuschte Vertauen, die abgebrochenen Gesprächsfäden) mühsam wieder zusammenzufügen?
Ein Blick über die Grenzen könnte Anschauungsunterricht bieten. Nicht das mit Wahlannulierung und Repression antwortende Algerien hat es geschafft, sich radikalisierende islamische Bewegungen einzudämmen und zu befrieden, sondern Länder wie Jordanien, die den islamitischen Bewegungen faire Angebote zur Mitarbeit im zivilen politischen und gesellschaftlichen Leben des Landes eröffneten.
So gesehen ist die von Einheimischen wie Muslimen so hervorragend angenommene Erste Bremer Islamwoche ein gutes Stück integrationspolitischer Pragmatismus, ein Stück dringend notwendiger Realpolitik im Umgang mit den hier lebenden und hier bleibenden Menschen und ihren religiösen Gemeinden. Der unverantwortliche Kurs der Zuspitzung und Provokation hingegen, basiert auf der Illusion, einmal losgetretene Konflikte zwischen den Kulturen und Religionen beliebig wieder einfangen zu können. Er ist im Kern fundamentalistisch. Matthias Güldner
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