„Das wird akzeptiert“

■ Petra Roth, CDU-OB in Frankfurt, will einen Heroin-Modellversuch wie in der Schweiz

taz: Siebzig Prozent der Schweizer haben sich für die kontrollierte Heroinabgabe an Abhängige ausgesprochen. Hat Sie das überrascht?

Petra Roth: Es hat mich ein wenig überrascht, vor allem aber hat es mich bestätigt: Kontrollierte Heroinabgabe kann ein Weg sein, den schwerkranken Abhängigen im Rahmen eines wissenschaftlichen Begleitversuchs zu helfen. Und das Schweizer Ergebnis zeigt, daß dies von der Bevölkerung akzeptiert wird.

In Frankfurt wollen wir jetzt etwas Ähnliches versuchen: Etwa 120 Abhängige, die AIDS oder Tuberkulose haben und von anderen Hilfsprogrammen nicht mehr erreicht werden, sollen in einem fünfjährigen Modellversuch kontrolliert Heroin bekommen. Die Heroinabgabe muß natürlich unter strengsten Bedingungen erfolgen. Sie muß ausstiegsorientiert sein und noch stärker überwacht werden als die Methadon-Abgabe.

Ich denke, daß man dies aus Gründen der Humanität versuchen muß. Was nicht heißt, daß ich für die Freigabe von Drogen bin: Dealer gehören trotz allem in die Hände der Polizei, Süchtige aber in die Hände der Ärzte.

Nun macht es Ihnen das Betäubungsmittelgesetz nicht gerade einfach. Es verbietet explizit, anderen eine Gelegenheit zum Konsum von illegalen Drogen zu verschaffen.

Richtig. Deshalb wollen wir ja einen Modellversuch, um zu versuchen, einen neuen Weg zu gehen.

Das Bundesamt, das für diese Genehmigung zuständig ist, untersteht dem CSU-Minister Seehofer. Haben Sie da Hoffnung auf eine Genehmigung?

Ich hoffe es, aber ich rechne nicht mehr in diesem Jahr damit.

Politisch können Sie mittlerweile auf die Unterstützung einer ganz großen Koalition rechnen, die von den Grünen bis zu Teilen der CDU reicht. Nur die Hardliner aus Ihrer eigenen Partei machen nicht mit.

Auf Bundesebene dauert es einfach, bis in der Drogenpolitik Fortschritte zu verzeichnen sind. Das war bei unseren Konsumräumen ja genauso: Zuerst gab es Widerstand auch aus meiner Partei. Mittlerweile sind die Räume allgemein akzeptiert, weil sie erfolgreich sind.

Den Erfolg zeigen die Zahlen übrigens ganz deutlich: Die Zahl der Drogentoten sank in Frankfurt von 127 im Jahr 1992 auf 31 im Jahr 1996. In diesem Jahr könnten es sogar noch weniger werden. In den anderen Großstädten Hamburg, Berlin und München sind die Entwicklungen wesentlich weniger positiv, zum Teil sogar gleichbleibend schlecht. Aber natürlich weiß ich, daß Teile meiner Partei diese Sichtweise nicht teilen. Doch wenn Sie vor Ort, in Frankfurt, Entscheidungen treffen müssen, sieht die Sache einfach anders aus.

Gibt es in der Stadt Frankfurt noch Kritiker der Druckräume?

Nein. Das Polizeipräsidium ist dafür, die Parteien sowieso. Die Industrie- und Handelskammer sieht die Hilfe für die Süchtigen als sinnvoll an. Der Vorstand der IHK hat die Verbandsmitglieder kürzlich sogar aufgerufen, für Projekte der Drogenhilfe zu spenden. Widerstand gibt es dort keinen. Interview: Felix Berth