Fragmentarische Österreich-Maske

■ Christof Nel inszeniert Thomas Bernhards Alte Meister im Malersaal

„Die Kunst ist das Höchste und das Widerwärtigste zugleich“, heißt es in Alte Meister, der letzten Erzählung des 1989 verstorbenen Schriftstellers Thomas Bernhard mit dem Untertitel „Eine Komödie“. Die Bilanz eines Lebens mit der Kunst?

Parallel zu einer Inszenierung am Deutschen Theater in Berlin inszeniert Christof Nel jetzt die deutschsprachige Erstaufführung von Alte Meister am Deutschen Schauspielhaus. Die stark autobiographisch gefärbte Erzählung besitzt testamentarischen Charakter. Bernhard, seit seiner Jugend lungenkrank, gilt als „Dichter des Sprechens“; seine Charaktere zeichnen sich durch einen ständigen Drang zum Reden aus. „Durch die monomanische, unablässig redende Figur des Reger arbeitet sich Bernhard an der Welt ab“, sagt Nel – durch das Sprachrohr seiner Figuren führt Bernhard eine Vernichtungsrede gegen Kunst, Kultur, Staat und Moral.

Im Kunsthistorischen Museum in Wien hat Reger, der als Musickritiker für die Times arbeitet, seine Kunstbetrachtung zur Perfektion entwickelt. Seit dreißig Jahren sitzt er jeden zweiten Tag vor dem Gemälde des „Weibärtigen Mannes“, verehrt vom Museumswärter Irrsigler, beobachtet und beschrieben von dem Philosophen Atzbacher. Im eingehenden Studium der Alten Meister sucht er deren Fehler und degradiert sie zu unvollkommenen Fragmenten. Denn nur als Fragment – so Bernhard alias Reger – sind die Kunst sowie das Leben dem Menschen erträglich.

So greift auch Nel in seiner Inszenierung die Thematik des „Fragmentarischen, des Ausschnitthaften“auf. „Intakte Figuren und klare Rollenzuweisungen existieren nicht“, erklärt der Regisseur. Statt dessen „überschneiden sich die Charaktere, werden zu einem Über-Ich“. Und so wie sich Bernhard durch seine Figuren maskiert, ist auch Österreich nur eine Maske für eine allgegenwärtige Gesellschaft, für Kultur, Politik und Staat.

Maria Brombacher

Premiere: Freitag, 3. Oktober, 20 Uhr, Malersaal