Ahmad Yassin – Vater von Hamas

■ Religiöser Führer, Helfer der Armen und Feldherr des Heiligen Krieges

Angeschnallt auf einer Bahre, aber mit einem Lächeln im Gesicht wurde der schwerkranke Führer und geistige Mentor der islamischen Widerstandsbewegung Hamas gestern in ein Krankenhaus in Amman eingeliefert. Der 61jährige, dessen Gliedmaßen gelähmt sind und der an Schwerhörigkeit und Atembeschwerden leidet, war 1988 von den israelischen Besatzungsbehörden verhaftet und wegen Aufrufs zum Mord an palästinensischen Kollaborateuren zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Scheich Yassin gründete in den späten 70er Jahren das Islamische Zentrum in Gaza. Eine Reihe von karitativen Organisationen fungierten als Keimzellen der sozialen Bewegung, die sich ausdrücklich als religiöse Alternative zur säkularen PLO verstand. Deshalb erhielt Yassin anfänglich gar die Unterstützung Israels.

Die Intifada ab Dezember 1987 brachte die islamische Bewegung jedoch in Zugzwang. Um den Einfluß auf die palästinensische Gesellschaft nicht zu verlieren, gründete Yassin im Januar 1988 die Hamas. Der Nationalismus wurde als eine Art des religiösen Glaubens gedeutet und die Verteidigung des islamischen Bodens zur Pflicht eines jeden Muslims. Als Konsequenz daraus entstand ein Jahr später der militärische Arm, die Ezzedin al-Qassam-Brigaden, benannt nach einem Führer der palästinensischen Muslimbrüder, der in den 30er Jahren von den Briten im Gefecht erschossen wurde. Die sozialen und religiösen Einrichtungen von Hamas wurden jetzt zum Rekrutierungsfeld für die „islamischen Märtyrer“. Scheich Yassin selbst sollte sich allerdings in der Haft vom militärischen Kampf und den Selbstmordanschlägen distanzieren.

Nicht zuletzt aufgrund der „persönlichen Integrität“ von Scheich Yassin fand Hamas politische und finanzielle Unterstützung in der gesamten muslimischen Welt. Im Gaza-Streifen bezieht heute jeder dritte Palästinenser irgendeine finanzielle Hilfe von Hamas. Computerzentren, Lehrerseminare, Koranschulen, Sportclubs, Krankenhäuser, es gibt kein Feld, auf dem Hamas nicht tätig ist. Die Grundlagen dafür hat Scheich Yassin gelegt. Sollte er bald nach Gaza zurückkehren, werden Hunderttausende ihm einen jubelnden Empfang bereiten. gb