piwik no script img

Vereinigte Kothaufen

Dies war der Beitrag des Bremer Chemikers und Künstlers Joachim Fischer zum Tag der deutschen Einheit: Er piekste am Donnerstag nachmittag mehrere winzige deutsche Fähnchen in innerstädtische Hundehaufen, die auch unter dem Namen „Tretminen“bekannt sind. Fischers über Flugblätter verbreitete Kernaussage: „Deutschland ist ein Kothaufen!“Fischers angedeuteter Ausweg: „Aber Kot kann düngen!“

Herr Fischer, der in einer Umhängetasche aus Sicherheitsgründen einen Hundehaufen aus Plastik mit sich führte, mußte für seine von insgesamt einem Journalisten und einer Fotografin wahrgenommenen Kunstaktion lange suchen, bevor er in Bremens überraschend säuberlicher „guter Stube“drei Hundehaufen fand. Doch dann schritt er ohne Zögern zur Tat und steckte, ohne daß Außenstehende aufmerksam wurden, in einen Haufen an der Bürgerschaft, in einen zweiten am Börsenhof und einen dritten vor der Bremer Bank je eine Deutschlandfähnchen. Herr Fischer, der mit maximal 200 Interessenten für seine Flugblätter, zumindest aber mit dem Interesse des Verfassungsschutzes gerechnet hatte, blieb gleichwohl guten Mutes. Er sei ein Einzelkämpfer, gab er an.

Die Arbeit mit Hundekot hat in des Künstlers Entwicklung schon so etwas wie eine kleine Tradition: Auf der letzten Breminale stellte er Kloschüsseln auf, in denen Fotos zum Thema Hunger, Krieg und Umweltzerstörung lagen, darauf Kothaufen. Beim Neujahrsempfang der Bremer CDU im Parkhotel präsentierte er einen Hundehaufen auf Pappteller mit Nationalflagge. Ohne daß ihm Ungemach widerfuhr, verteilte er 300 Flugblätter und kassierte nur einen anonymen Anruf.

Er sei, sagt Joachim Fischer, aber nicht etwa ein Bildhauer. Das plastische Gestalten nähmen ja die Hunde vor. Eher ein Aktionskünstler. Er beschäftigt sich hauptberuflich mit Lebensmitteln. Auch hier spielen Würste eine wesentliche Rolle. Vor zehn Jahren, gibt er an, habe er seine „kreative Ader“entdeckt.

Muß man nicht sogar von „Erweckung“sprechen? Es fand alsbald eine weitere Erweckung von der SPD zur PDS hin statt. Sowie – mithilfe der Bibel – eine dritte Erweckung: Aus einem dicken, Alkohol und Fleisch konsumierenden Autofahrer wurde ein vegetarisch-abstinenter Hänfling und Fußgänger. Welcher seine Flugblätter mit den Worten „Gott sei bei Ihnen“beschließt.

Als die Presse Herrn Fischer verließ, hatte er noch 50 Fähnchen übrig, die er in den Wallanlagen in Hundehaufen stecken wollte. „Aber wenn es regnet, geh ich nach Hause.“ BuS / Foto: Katja Heddinga

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen