Hörst du die Matratze flüstern ...?

■ Was Betten alles wissen: Der Künstler Miguel Rothschild verarbeitet (Bett-)Geschichten zur Ausstellungsware. Die erzählen dann unter anderem von der Unzulänglichkeit der Liebe

Wenn Betten reden könnten, hätten sie viele Geschichten zu erzählen. Sentimentale, erotische, traurige, euphorische. Und immer wieder würde es um ein Phänomen gehen, das so rätselhaft wie faszinierend ist: die Liebe. Eine kitschig anmutende Erkenntnis, aber schließlich hat jeder schon einmal vor Liebeskummer ins Kopfkissen geheult. Oder ertappt sich hin und wieder bei Gedanken an süße Stunden der Zweisamkeit, die er in der Horizontalen erlebte. Man würde dem Bett nicht gerecht, wollte man es nur als profane Schlafstatt verstehen.

Einer, der sich der romantischen Bedeutung des Lebensortes Bett angenommen hat, ist der Künstler Miguel Rothschild. Eine seiner Arbeiten heißt „Das Unzulängliche der Liebe“. Unzählige Kußmünder bedecken Matratze, Kopfkissen und Decke eines niedrigen Bettes aus dunklem Holz. Rothschild wählte als Stoff helles Latex, von dem sich die Münder gleichmäßig abheben und das von weitem aussieht wie ein pockennarbiges Wesen.

Eine andere Arbeit zeigt vier Kopfkissen, die vier durchlebte Nächte symbolisieren. Das eine besteht aus Pflaster, das nächste aus in Latex gegossenen Ohrmuscheln, das dritte nimmt die verheißungsvollen Kußmünder wieder auf, und das vierte präsentiert eine behaarte Männerbrust, aus der eine rosige Brustwarze schimmert.

Rothschild erlegt seinen Werken eine ironische Distanz auf. Die Kondome der Serie „Rothschild gefühlsecht“ sind verpackt wie Mozartkugeln und verfügen anstelle des Reservoirs über wulstige Lippen.

Der gebürtige Argentinier ist in Berlin kein unbekannter Künstler. Die Karl-Hofer-Gesellschaft verlieh ihm im vergangenen Jahr den hauseigenen Atelierpreis. Studiert hat der 34jährige an der Kunsthochschule in Buenos Aires und wurde später Meisterschüler von Rebecca Horn an der HdK.

Seit Jahren werden Miguel Rothschilds Arbeiten in verschiedenen Berliner Galerien und Ausstellungen gezeigt. 1992 gestaltete er einen Raum in den Kunst-Werken in der Auguststraße unter dem Titel „An alle Frauen, die mich wie einen Hund leiden ließen“ und schämte sich nicht, ein Jahr später eine Performance für „Birgit Brenner, die nicht in mich verliebt ist“ aufzuführen. So etwas schafft nur ein moderner Romantiker. Und von denen gibt es nicht viele. Anja Karrasch