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■ VorschlagMoebius von Gustavo Mosquera R. im fsk am Oranienplatz

Die auf den Leipziger Mathematiker und Astronomen Moebius aus dem vorletzten Jahrhundert zurückgehende überkreuzte Endlosschleife ist eine hübsche Idee. Genauso wie dieser vielfarbige Würfel, an dem vor Jahren alle Welt selbstvergessen herumfummelte, ist sie ein Populärgut spintisierender SF- und Fantasyanhänger. Diese nicht eben brandneue Angelegenheit (die Schleife) ist der symbolträchtige Aufhänger für einen argentinischen Spielfilm, an dem die halbe Filmuniversität in Buenos Aires mitwirkte.

Es geht um Unendlichkeit, Zeitreisen, Zeitsprünge, engstirnige Verwaltungshengste und einen naiven Wissenschaftshelden. Die Vorlage bot der Roman „Ein Tunnel namens Moebius“ von A.J. Deutsch, den über vierzig studentische Workshop-Teilnehmer und zwei ProfessorInnen mit einem Kleinstbudget verfilmten.

Im unüberschaubaren Gewirr von Buenos Aires' Untergrundbahn gehen seltsame Dinge vor. Die Bahnangestellten hören Zuggeräusche, spüren Vibrationen wie von einem unterirdisch vorbeifahren Zug, aber niemand bekommt die Abteile samt Triebwagen zu Gesicht. Der Wagen Nr. 86 ist seit vier Tagen unauffindbar.

Nur ein einsamer Streiter und Sucher, der Jungmathematiker David Pratt, glaubt an das Unwahrscheinliche – für X-Files-Geschulte eine Leichtigkeit – und fahndet fortan in der Unterwelt nach dem entschwundenen Zug. Sein ehemaliger Professor und ein kleines Mädchen tauchen auf. Wie in jedem besseren Märchen sind auch hier Greis und kindliche Unschuld die Helfershelfer zum Einstieg in fremde Dimensionen.

Dämmerige Blautöne, gleißende Neonleuchten und nicht enden wollende Tunnelfluchten schaffen eine mysteriöse Atmosphäre, und markieren das Entrée des Films, der auch später mit Fingerzeigen nicht geizt. Dein Unterbewußtsein läßt schön grüßen. Untermalt von todernstem Technik- und Theoriegeschwafel, dem Bildgeber „Magischer Realismus“ verpflichtet, scheint der Film zudem streckenweise einer Überdosis von Kafka-Lektüre entsprungen zu sein. Nicht nur, daß Pratt an einer U-Bahn-Station namens „Borges“ umsteigt, auch ein Schild der Station „Plaza de Mayo“ verweist auf die „desaparecidos“, die Verschwundenen der argentinischen Militärdiktatur. Diese Fährten aber bleiben im Nirgendwo hängen, und wer da nach Zusammenhängen fragt, muß in Metaphysik nachsitzen.

Sicher sind die trickreich gefilmten Aufnahmen der Tunnelwelt mit den altertümlichen Bahnfahrzeugen, den pittoresken Schächten und Bahnhöfen schön anzusehen. Manches davon versinkt aber unter einer allzu dick aufgetragenen Symbolschicht. Gudrun Holz

„Moebius“, Regie: Gustavo Mosquera R. Kamera: Abel Penalba, Federico Rivares. Mit Guillermo Anghinelli u.a., Argentinien 1996. Heute im fsk am Oranienplatz, Kino 1

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