Erfurter Treffen läßt PDS links liegen

Auf dem bundesweiten Kongreß zur „Erfurter Erklärung“ distanzierten sich SPD und Bündnisgrüne von einer PDS-Zusammenarbeit. Bürgerrechtler Ullmann fordert runde Tische mit Managern  ■ Aus Erfurt Noel Rademacher

Die Nacht draußen war kohlenofenkratzig kalt, und drinnen in der Kirche fror man auch, aber dafür versprachen die Veranstalter, fast genauso sei's auch damals gewesen, Anno 1989, als DDR-Bürger sich hier versammelten.

An diese Tradition wollte man offensichtlich anknüpfen, als am letzten Wochenende rund 1.000 Menschen in die Erfurter Augustinerkirche kamen, um mit Vertretern von SPD, Bündnisgrünen und PDS über die Perspektive einer Zusammenarbeit der drei Parteien nach der Bundestagswahl 1998 zu diskutieren.

Eingeladen hatten die Initiatoren der „Erfurter Erklärung“, jenes Papieres, das Anfang des Jahres für scharfe Kritik aus Unionskreisen gesorgt hatte, weil es eine Beteiligung der PDS an einem rot-grünen Regierungsbündnis nicht kategorisch ausschließen wollte. Auch im Vorfeld dieser Veranstaltung war wieder scharfe Munition verschossen worden: Wegbereiter einer neuen „Volksfront“ nannte CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble die Initiatoren. Bei den Versammelten verstärkte dieser Vorwurf eher die Gewißheit, daß sich wieder einmal eine volksferne Partei von einer Bürgerbewegung in ihrer Macht bedroht fühlt. Dabei ging es in den meisten Veranstaltungen, die auf dem zweitägigen Kongreß stattfanden, nur sekundär um die Parteien. Vielmehr sollte die Aufmerksamkeit von den Parteien weg und zurück auf die Bürger selbst gelenkt und neue Wege der politischen Partizipation gefunden werden. Der Ruf nach außerparlamentarischen Institutionen war allerorts zu vernehmen: von „gesellschaftlichen Räten“, „runden Tischen“ und einer neuen „außerparlamentarischen Opposition“ war die Rede.

Ein zäher Verfechter der Idee des runden Tisches war Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/Grüne). Auf dem Kongreß berichtete er von seinen Erfahrungen als Abgeordneter im Europäischen Parlament und warb für eine weiter gedachte Form des runden Tisches, an der auch Manager und Wirtschaftskräfte sitzen sollten: „Gerade die Hardliner der verschiedenen Fraktionen müssen dort aufeinandertreffen.“ Ullmanns Hauptkritik an der „Erfurter Erklärung“, die er selbst nicht unterschrieben hatte, richtete sich gegen den Ausschluß konservativer Kräfte: „Das war politischer Dilettantismus“; den „Volksfront“-Vorwurf habe man auf diese Weise geradezu herausgefordert.

Die in Erfurt vielfach gescholtenen Politiker wollten die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Das Umdenken müsse auch in der Gesellschaft, bei den Bürgern selbst, stattfinden. Er beobachte bei bei vielen Menschen geradezu eine „neue Lust an der Ungleichheit“, sagte Wolfgang Tierse, stellvertretender Vorsitzender der SPD. Solch eine Ethik unterhöhle auf Dauer das demokratische System. Das Reizthema der Erfurter Erklärung, die PDS, wurde in der Augustinerkirche umgangen. Von einer Zusammenarbeit mit der PDS wollten SPD und Grüne auf dem Podium nichts wissen. Obwohl der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, einer der Erstunterzeichner der Erklärung, die anwesenden Politiker ermahnte, das Publikum nicht mit „öden Koalitionsfragen“ zu quälen, sondern Konzepte für eine Beendigung des Reformstaus vorzustellen, konnten sich manche gar nicht schnell genug von der PDS distanzieren: Jürgen Trittin, Vorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, wandte sich ausdrücklich gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene. Wem eine gemeinsame „Bewegung“ vorschwebe, solle doch zum nächsten Castor-Transport kommen: „Da sind wir alle eine Familie.“ Im Parlament dagegen gehe es um Macht und Mehrheiten und da sei Rot-Grün die einzige Reformalternative zur Regierungskoalition.

Trittin hatte damit offenbar nicht den richtigen Ton getroffen. Stimmen aus dem Publikum warfen ihm Wahlkampfgerede vor, zwei bündnisgrüne Basisfrauen drohten gar, aus der Partei auszutreten: „Sie wissen wohl nicht, wo Sie sind. Sie sind hier im Osten!“ Trittins Haltung fand aber in seiner Partei Unterstützung. Im Gespräch mit der taz gab Wolfgang Ullmann ihm recht: „Die PDS wirkt bei SPD und Grünen wie ein Spaltpilz“ und drohe diese innerlich zu zerreißen. Auch in der Schlußerklärung war von einer Zusammenarbeit von PDS, Grünen und SPD keine Rede mehr, auch wenn einzelne Unterzeichner, wie der Thüringer Landesvorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Bodo Ramelow, versicherte, man habe „nichts zurückzunehmen“. Grundlage für die weitere Arbeit, die im Februar in Bochum auf einem Bundestreffen fortgesetzt werden soll, bleibe die Ursprungsfassung der Erklärung. Dennoch: Im Appell vom Wochenende fehlte der Bezug zur PDS, statt dessen wurde allgemein eine gerechtere Verteilumg von Arbeit, eine ökologische und soziale Steuerreform verlangt.

Von einer Rückbesinnung auf die „emanzipatorischen Kräfte“ des Volkes, wie Friedrich Schorlemmer sie zu Beginn des Erfurter Kongresses beschworen hatte, war am Ende nicht mehr allzuviel zu spüren. Daß der Wahlkampf für 1998 bereits begonnen hat, weiß man, seit die SPD mit ganzseitigen Anzeigen für Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder wirbt.

Andrea Nahles, Juso-Vorsitzende, muß das gemerkt haben, denn flink reihte sie sich ein in die populäre Parteienkritik und seufzte: „Manchmal macht ihr es uns aber auch verdammt schwer, in euerm Laden mitzumachen.“

Damit hätte sie bei der Jugend bestimmt einen Blumentopf gewonnen – aber die war gar nicht anwesend: Das Publikum in der Erfurter Kirche war eine Bürgerbewegung der Ergrauten, der Großteil war weit über 40. „Die APO Erfurt sollte sich lieber OPA nennen“, lästerte denn auch eine junge Grüne.