Aus für doppelte Staatsbürgerschaft

■ Innenminister Kanther setzt sich in der Koalition durch: Ausländerkinder müssen sich künftig mit 18 für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Keine automatische Einbürgerung für alle in Deutschland Geborenen

Bonn (taz) – Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) und die CSU sind die großen Sieger im jahrelangen Poker um eine Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Die Unionsparteien und die FDP haben sich jetzt auf Vorschlag Kanthers auf ein Minimalprogramm geeinigt: Kindern von in Deutschland legal lebenden Ausländern soll künftig zugesichert werden, daß sie mit 18 Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten können. Ihre bisherige Staatsangehörigkeit müssen sie dann abgeben. Die automatische Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern ist damit ebenso vom Tisch wie die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft.

Ungeklärt ist noch, welche Folgen sich für die in Deutschland aufwachsenden Ausländerkinder bis zum 18. Lebensjahr ergeben. Die Liberalen wollen Abschiebungen dieses Personenkreises ausschließen. Dies ist aber bei der CDU umstritten. Es sei absurd, wenn ausgerechnet nur die straffällig gewordenen Kinder von Ausländern von der neuen Regelung profitieren würden, sagte ein CDU-Abgeordneter. Fraglich ist auch, ob die von Innenminister Kanther Anfang des Jahres eingeführte Visumpflicht teilweise rückgängig gemacht wird. Über beides muß noch verhandelt werden.

Falls sich die neue Regelung auf die Einbürgerungsgarantie beschränkt, wäre dies nach Meinung des einwanderungspolitischen Sprechers der Bündnisgrünen, Cem Özdemir, „ein Witz“. Dies sei eine objektive Verschlechterung der bisherigen Situation. Bisher hat nämlich ein Jugendlicher, der mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt und sechs davon die Schule besucht hat, mit 16 Jahren einen Anspruch auf Einbürgerung.

Die ausländerpolitische Sprecherin der SPD, Cornelia Sonntag-Wolgast, kritisierte die Einbürgerungsgarantie als „Mickymaus-Lösung“, die zur Integration von ausländischen Kindern untauglich sei. „Das Lebensgefühl geht in der Kindheit los und nicht erst ab 18 Jahren.“ Wenn allerdings die Betroffenen bis zur Volljährigkeit nicht abgeschoben werden könnten, sei das wenigstens ein kleiner Fortschritt.

Lange gab es realistische Hoffnungen, daß sich eine automatische Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern durchsetzen würde. FDP, Bündnisgrüne sowie eine Gruppe junger Abgeordneter der CDU zogen an einem Strick. Auch die SPD hätte sich nach eigenem Bekunden angeschlossen, wenn ein entsprechender Antrag auf dem Tisch gelegen hätte. Doch die Ankündigung eines fraktionsübergreifenden Gruppenantrags blieb eine leere Drohung. Vor allem Kanther und die CSU hatten sich gegen die automatische Einbürgerung stark gemacht. Markus Franz

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